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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung
Autoren: Nicolas Remin
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Schließlich mache ich dasselbe.»
    Die Contessa ließ die Tasse sinken, die sie eben hatte zum  Mund führen wollen. «Willst du damit sagen, dass du auch nach deiner Heirat weiterhin in die questura gehen wirst?»
    «Ich würde es nicht ausschließen.»
    «Und die gesellschaftlichen Verpflichtungen, die mit  deiner Heirat auf dich zukommen? Die Bälle, Diners und  Empfänge? Ich könnte dir allerdings einen Großteil der  organisatorischen Arbeit abnehmen. Und die Principessa  kann gern assistieren.»
    «Da wird sie sich freuen.»
    «Kann sie auch», sagte die Contessa, der Trons Ironie  vollständig entging.
    «Aber das alles ist im Moment wirklich nicht spruchreif.»
    Die Contessa runzelte die Stirn. «Was soll das heißen?»
    «Dass es schwierig sein wird, vor Weihnachten einen  Hochzeitstermin festzulegen. Maria ist sehr beschäftigt.»
    «Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ihr noch in diesem Jahr heiratet.»
    «Im Moment sieht es nicht danach aus.»
    «Das wäre sehr unangenehm für mich.»
    «In welcher Hinsicht?»
    «Nun, ich habe … Gespräche geführt.»
    «Gespräche?»
    «Es geht um den Palazzo, Alvise. Bei Widmanns tropft es nicht nur in die Zimmer. Wenn es draußen regnet, dann regnet es auch drinnen. Das ganze Dach müsste neu ge deckt werden. Und der Putz zum Rio Tron hin ist praktisch nicht mehr vorhanden. Bei jedem Regenguss dringt  Wasser in die Mauern. Wasser, das im Winter nicht mehr  trocknet. Hast du mal die Gobelins angefasst?»
    «Nein.»
    «Die Gobelins sind klamm, Alvise. Feucht.»
    «Und?»

    «Das bedeutet, dass wir mit den Arbeiten nicht länger  warten dürfen.»
    Tron seufzte. Als ob er das nicht wüsste. «Und deswegen hast du Gespräche geführt?»
    Die Contessa nickte. «Gespräche, die sehr befriedigend  verlaufen sind.»
    «Ich kann dir nicht ganz folgen.»
    «Mit der Banco di Verona. Mit einem sehr entgegenkommenden Herrn, der mir heute ein Protokoll unseres Gespräches zugeschickt hat.» Der leicht gekränkte Blick der Contessa besagte, dass sie mindestens ebenso viel Entgegenkommen auch von Tron erwartete.
    «Was hat das alles mit dem Heiratstermin zu tun?»
    «Am besten, du liest selbst.» Sie schob den ominösen
    Briefumschlag über den Tisch, der die ganze Zeit neben  ihrem Teller gelegen hatte.
    Tron öffnete den Umschlag und überflog das kurze Protokoll. Als er die Seite zu Ende gelesen hatte, fing er noch einmal von vorne an. Aber die Buchstaben veränderten sich ebenso wenig wie die Wörter und der Sinn, den sie ergaben. Er legte den Bogen vorsichtig auf den Tisch zurück, so als wäre er aus Glas. Dann strich er behutsam das Papier glatt, das sich ein wenig wölbte, und bewunderte seine Selbstbeherrschung. Er sagte: «Ich weiß nicht, ob es klug war, das eine mit dem anderen zu verknüpfen.»
    «Es erschien mir angemessen, darauf hinzuweisen.»
    «Die Banco di Verona ist die Hausbank der Principessa.»
    Die Contessa hob die Augenbrauen. «Was ist daran so  schlimm?»
    «Maria wird von dem Gespräch, das du geführt hast, er fahren», sagte Tron. «Ist dir klar, dass mich das in ein unmögliches Licht setzt?»

    Die Contessa musterte Tron über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg. Dann sagte sie: «Etwas ganz anderes setzt dich in ein unmögliches Licht, Alvise.» Als Tron schwieg, wanderten ihre Augen zur Decke und signalisierten, dass es sie Mühe kostete, sich bei so viel Unverständnis zu beherrschen. «Hat die Principessa nun deinen Heiratsantrag angenommen oder nicht?»
    «Ja, das hat sie.»
    «Dann ist sie damit auch eine Verpflichtung eingegangen.»
    «Wenn du es so sehen willst.»
    «Siehst du es anders?»
    «Ich sehe, dass es eine ganze Reihe von Gründen gibt,  die ihr die Entscheidung, mich zu heiraten, nicht leicht machen.»
    «Und die wären?»
    «Vielleicht hat sie den Eindruck, in Verhältnisse zu geraten, die ihr nicht zusagen.»
    «In welche Verhältnisse, wenn ich fragen darf? Und in  welcher Hinsicht?»
    «In Verhältnisse, in denen man Zweifel an ihrem gesellschaftlichen Schliff hegt.»
    «Entschuldige, wenn mir die eine oder andere Kleinigkeit an der Principessa aufgefallen ist. Aber offenbar siehst du das anders.»
    «Maria hat in den zwei Jahren, die sie in Paris verbracht hat, fast täglich im Tuilerienpalast verkehrt. Die Vorstellung, dass sie in Fragen des gesellschaftlichen Schliffs Nachholbedarf hat, ist lachhaft.»
    «Weil das Fräulein aus Gambarare zwei Jahre am Hof  dieses Parvenüs verkehrt hat? Das ist lachhaft,
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