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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser
Autoren: Jilliane Hoffman
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jemand Junges, Hübsches sehen, jemand, der die junge, hübsche tote Mutter und ihre Kinder repräsentiert.»
« Du willst eine Frau?», sagte Rifkin.
« Dann nimm doch Karyn Seminara. Sie hat zumindest ein bisschen Erfahrung zu bieten. Lisa Valentine? Priscilla Stroze? Ich kann dir noch etliche andere nennen.»
« Ich habe Julia vor Gericht erlebt. Du auch? Letzten Monat hatte ich eine Anhörung vor Farley, und zufällig habe ich ihre Eröffnung mitbekommen. Sie gibt den Opfern eine Stimme, Charley, und ein Gesicht – nicht nur ein paar Zahlen und Daten auf einem Formular. Sie macht Menschen aus ihnen. Und sie sorgt dafür, dass die Geschworenen bei der Sache sind, auch dann, wenn es langweilig wird und sich alles nur noch um Fingerabdrücke und DNA dreht. In ihren drei Jahren im Amt hat sie eine ganze Menge Prozesse geführt, Charley – mehr als der Durchschnitt vieler A-und B-Anwälte zusammen. Und bis auf zwei Jurys, die sich nicht einig werden konnten, hat sie keinen einzigen Fall verloren. Sie ist gut, Charley. Und außerdem», fügte er hinzu und ließ sich langsam wieder auf seinen Sessel sinken, « sind ihre Milchzähne ziemlich scharf. Und genauso wie ich hat sie keine Angst, sie zu benutzen.» Charley Rifkin sah seinen Kollegen einen Moment lang schweigend an. Dann hob er abwehrend die Hände.
« Wie ich schon sagte, Rick – es ist dein Fall. Such dir aus, wen du willst, aber schieb es hinterher nicht auf mich. Nach siebenundzwanzig Jahren im Amt rieche ich üble, komplizierte Fälle auf eine Meile gegen den Wind. Der Fall stinkt, Rick. Gut möglich, dass der Gestank haften bleibt – an dir und an unserer Abteilung. Es braut sich ein übler Sturm zusammen. Und wenn hier was schiefgeht, verfolgt es dich bis ans Ende deiner Laufbahn.» Er kniff die Augen zusammen.
« Vergiss das nicht, Ricky. Vergiss das nicht.» Rick nickte und strich sich das Jackett glatt.
« Danke für die Warnung, Charley.» Dann wandte er sich an Julia:
« Aber vielleicht waren wir auch zu voreilig. Nach alldem weiß ich nicht, ob Julia überhaupt noch mitarbeiten will.» Julia löste ihren Blick von dem Diplom an der Wand und sah Rick an. Bei diesem Kampf wollte sie nicht zwischen King Kong und Godzilla geraten. Natürlich war es schmeichelhaft, bei einem Fall von Major Crimes um Mitarbeit gebeten zu werden, und es konnte ihre Karriere weit nach vorn katapultieren. Aber vom Chef der Major Crimes höchstpersönlich in der Luft zerrissen zu werden, war doch ziemlich niederschmetternd. Auch wenn Türen wie diese sich nicht jeden Tag öffneten, zögerte sie. Wer weiß, ob man sie ihr nicht wieder vor der Nase zuschlug – mit ein paar Fingern dazwischen. Vielleicht war sie wirklich noch nicht erfahren genug für einen Mordfall. Vielleicht waren ihre Milchzähne doch nicht scharf genug, und die ganze Welt würde im Fernsehen zusehen können, wie sie versagte. Vor ein paar Jahren hätte Julia Anne Valenciano sich nicht träumen lassen, dass sie je in eine solche Lage geriet. Sie hatte gar nicht unbedingt Staatsanwältin werden wollen. In ihrer Familie gab es keine Juristen, und keiner der Freunde ihrer Eltern war bei Gericht. Die meisten ihrer Freunde in Staten Island, New York, wo sie den Großteil ihrer Jugend verbracht hatte, waren nicht mal aufs College gegangen. Aber auch wenn es in ihrer Familie keine Akademiker gab, war es keine Frage, dass Julia studieren würde. Nach ein paar verbummelten Semestern an der Rutgers University im benachbarten New Jersey wechselte sie zu Jura, weil sie gehört hatte, dass Anwälte in New York schwindelerregende Gehälter bezogen. Sie stellte allerdings fest, dass die lukrativen Bereiche des Fachs sie zu Tode langweilten. Und dann, im letzten Semester, kurz bevor sie die Kellnerschürze an den Nagel hängte, um ihre Seele an eine der langweiligen Wirtschaftskanzleien in Washington zu verkaufen, hatte sie einen Kurs in Straf recht belegt und war von der ersten Minute an fasziniert gewesen. Von da an verpasste sie keine Folge von Law & Order mehr. Verteidigung war nicht ihr Ding – sie würde niemals jemanden rauspauken können, von dem sie wusste, dass er schuldig war. Also hatte sie sich bei den Staatsanwaltschaftsbüros im ganzen Land beworben. Nach Miami war sie gegangen, weil sie sich von der Großstadt viel Sonne, ein aufregendes Nachtleben und eine hohe Verbrechensrate versprach. Chicago war ihr zu kalt, Phoenix zu alt, L.A. zu weit weg – und New York, nun, an New York hingen zu viele
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