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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser
Autoren: Jilliane Hoffman
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holte, klang es wie ein Seufzer.
« Ja, natürlich habe ich davon gehört. Es ist überall in den Nachrichten», antwortete sie schnell. Sie hoffte, dass ihr die Erleichterung nicht anzuhören war.
« Eine Mutter mit ihren Kindern, richtig?» Die grauenhafte Geschichte war ausführlich in den Abendnachrichten ausgewalzt worden und heute Morgen auf den Titelseiten von Miami Herald und Sun Sentinel gelandet. Eine ganze Familie im schicken Coral Gables, anscheinend einem wahnsinnigen Schlächter zum Opfer gefallen. Doch bis auf die Namen hatten die Reporter nicht viel zu berichten gehabt. Die Einzigen, die sich interviewen ließen, waren die Nachbarn, und jeder, der wirklich etwas hätte sagen können, hielt offensichtlich den Mund. Dafür schürte die Presse unter der Bevölkerung die Angst vor einem nächtlichen Serienmörder und warnte, Türen und Fenster zu schließen und sofort die Polizei zu rufen, falls jemand irgendetwas Auffälliges beobachte. Julia konnte sich denken, dass auf eine solche Warnung hin in Miami die Notrufleitungen heißlaufen würden.
« Jennifer Marquette und ihre drei Kinder Emma, Danny und Sophie, keins älter als sieben Jahre, ermordet in ihren Betten. Das kleinste, Sophie, war noch ein Baby, gerade mal ein paar Wochen alt», sagte Rick kopfschüttelnd, während er mit seinem Montblanc nachdenklich auf den Spiralblock tippte, den er auf dem Schoß hatte.
« Schlimme Sache.»
« Nur der Vater hat überlebt. Er liegt drüben im Ryder auf der Intensivstation», bemerkte Rifkin.
« Das haben sie in den Nachrichten gebracht», sagte Julia.
« Er ist Arzt, oder? Schafft er es?» In diesem Moment öffnete die Sekretärin die Tür. Sie hielt es noch nicht mal für nötig, vorher anzuklopfen – anscheinend legte sich mit Oma wirklich keiner an.
« Ruth Solly ist auf dem Weg zum Gericht, Charley. Sie braucht die Akten.»
« Okay, okay. Ich will mit ihr reden, bevor sie geht», sagte Rifkin, stand auf und griff nach seiner Kaffeetasse.
« Entschuldige, ich bin gleich wieder da, Rick.» Als die Sekretärin ihm aus dem Büro folgte, fiel Julias Blick auf ihren kurzen Rock und die schwarzen Stöckelschuhe, die so gar nicht zu ihrem Bild einer
« Oma» passten. Also gut. Jetzt war sie vollkommen verwirrt. Offenbar ging es hier weder um Farley und ihre Streitlust im Fall Powers, noch um irgendeinen anderen Kollegen, dem sie auf die Füße getreten war. Den Namen Marquette hatte sie vorher noch nie gehört, und ihr fiel auch sonst keine Verbindung ein, die sie mit dem Massaker in Coral Gables haben könnte, es sei denn, es wurde gegen einen ihrer 102 Angeklagten als möglichem Verdächtigen ermittelt. Glücklicherweise war es wohl auch nicht der Verhaltenskodex, was Sex mit Vorgesetzten betraf, weswegen sie hier war.
« Weißt du, warum ich herkommen sollte?», fragte sie Rick ein wenig verlegen, als Rifkin und seine Sekretärin außer Hörweite waren. Rick nickte.
« Ich hatte gestern Nacht Bereitschaft», sagte er.
« Oh», erwiderte Julia. Sie wusste nicht, ob das die Frage beantworten sollte oder erklären, warum er sich seit Freitagabend nicht gemeldet hatte. Plötzlich musste sie an ihren Kuss unter der Dusche denken und wandte den Blick ab. Wieder schoss ihr das Blut in die Wangen, und sie konzentrierte sich auf einen grauen Fleck auf dem grauen Teppich.
« Wo in Coral Gables ist es passiert?», fragte sie und hoffte, dass ihre Stimme sie nicht verriet.
« Sorolla Avenue, in der Nähe der Uni. Ach, ich vergaß», fügte er lächelnd hinzu, als sie schließlich aufsah und den Blick seiner dunkelbraunen Augen erwiderte, « du bist nicht aus der Gegend.» Es war nichts zu machen. Sie wurde rot wie eine Tomate. Die Dusche, unter der sie sich geküsst hatten, befand sich in ihrer Wohnung in Broward County, in einem Ort namens Hollywood, zwanzig Meilen nördlich von Miami.
« Ecke Sorolla und Granada, um genau zu sein», fuhr er fort, als sie schwieg.
« Das ist der alte Teil von Coral Gables. Ein Haufen teurer alter Villen steht dort. Aber heutzutage, wo schon ein Wohnwagen in Leisure City eine sechsstellige Summe kostet, ist teuer wohl ein relativer Begriff.»
« Ist es dein Fall?»
« O ja. Gestern war ich den ganzen Tag am Tatort.»
« Welche Dienststelle ermittelt?», fragte sie.
« John Latarrino vom Morddezernat Metro-Dade und Steve Brill vom Coral Gables Police Department. Kennst du die beiden?» Die Polizeidienststelle MiamiDade hieß früher Metro-Dade, bis vor ein paar Jahren, als sowohl das
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