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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser
Autoren: Jilliane Hoffman
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alle gleich rüberschieben. Du hast wirklich ganz schön viel Mumm, Kleine.» /
« Danke», sagte Julia und schnallte die Aktenkisten mit einem Riemen am Wagen fest.
« Und ich bin anscheinend nicht die Einzige, die das bemerkt hat.» Karyn senkte wieder die Stimme und machte ein ernstes Gesicht.
« Während deines Schlagabtausches mit Farley ist Charley Rifkin hier aufgetaucht.» Rifkin war der leitende Staatsanwalt von Major Crimes, der Abteilung für Kapitalverbrechen, und die rechte Hand des Generalstaatsanwalts. Julias Hände wurden feucht. Oje.
« Und?», fragte sie und versuchte, zuversichtlich dabei zu klingen.
« Er will dich in zehn Minuten in seinem Büro sehen. Ach, und, Julia», Karyn schwang ihren blonden Bubikopf herum und sah Julia wieder mit ihrem halben, enttäuschten Lächeln an, « er wirkte nicht gerade glücklich.»
KAPITEL 4
    V ERDAMMT. Montag war einfach nicht ihr Tag. Julia zerrte den wackligen Wagen durch den Hinterausgang des Gerichtsgebäudes die Rollstuhlrampe hinunter und überquerte eilig die 13th Street. Die Büros der Staatsanwaltschaft befanden sich im Graham Building auf der anderen Straßenseite. Fast hätte ihr eine tropische Windböe den Rock hochgewirbelt – direkt vor den vergitterten Fenstern des Gefängnisses –, und sie ärgerte sich, dass sie heute Morgen ausgerechnet nach dem einzigen Kostüm gegriffen hatte, dessen Saum nicht verstärkt war. Karyn hielt sie wahrscheinlich für überehrgeizig und streitlustig. Farley war sauer auf sie, mal wieder. Sie hatte nur einen Tag, um sich auf eine Verhandlung vorzubereiten, für die sich offenbar weder der Richter noch die Abteilungsleiterin, noch das Opfer selbst interessierte. Eigentlich hatte sie gedacht, es könne nicht mehr schlimmer kommen – und nun wurde sie ausgerechnet in das Büro des Abteilungsleiters von Major Crimes zitiert. In der Hierarchie der Staatsanwaltschaft war die Abteilung Major Crimes ganz oben bei der Verwaltung, und ihr Leiter Charley Rifkin besaß nicht nur das Wohlwollen des Generalstaatsanwaltes, sondern spielte auch mit ihm Golf, seit er vor über zehn Jahren sein Wahlkampfmanager gewesen war. In sein Büro bestellt zu werden, gehörte nicht zum Alltagsgeschäft, vor allem nicht für eine kleine B-Anwältin, es sei denn natürlich, er hatte im Gerichtssaal etwas gesehen, das ihm nicht gefiel. 
    Oder, dachte Julia, während sie an einem Fingernagel nagte und zusah, wie der Klappwagen den Metalldetektor des Graham Building passierte, ein Richter oder Staatsanwalt hatte sich bei ihm beschwert. In der Major Crimes Unit wurden sämtliche Fälle bearbeitet, bei denen auf Todesstrafe plädiert wurde und die ein großes Medieninteresse weckten. Jeder der zehn herausragenden Staatsanwälte der Abteilung konnte auf mehr als zwölf Jahre Berufserfahrung zurückblicken, hatte also trotz niedriger Löhne und des hohen Burn-out-Faktors praktisch sein ganzes Berufsleben bei der Staatsanwaltschaft verbracht, wo die reguläre Halbwertszeit bei etwa drei Jahren lag. Sie waren alle absolute Profis, und das wussten sie auch und trugen die Nase entsprechend hoch. Ihre Anwesenheit im Gerichtssaal wurde vom Richter mit Respekt, von den Geschworenen mit Neugier und von der Verteidigung mit Neid quittiert. Und sie konnten den kleinen Anklägern auf dem Parkett einen Riesenschrecken einjagen, vor allem, wenn ein reißerischer Fall ein Kamerateam und eine Meute übereifriger Journalisten anlockte. Und das ging nicht nur den Anfängern so, die als C-Kläger frisch vom Jugend-oder irgendeinem Provinzgericht kamen. Julia hatte gestandene A-Anwälte und Oberstaatsanwälte gesehen, die plötzlich zu stammeln anfingen, wenn einer der Veteranen der Major Crimes über die Galerie spazierte und bat, einen bestimmten Fall aufzurufen. Überflüssigerweise drückte sie noch einmal auf den Fahrstuhlknopf, dann reihte sie sich in die wartende Menge von Uniformierten, Anwälten und anderen Zeitgenossen, die nach oben wollten, ein. Auch wenn es ihren Kampfgeist von heute Morgen wahrscheinlich nicht hätte bremsen können, wurmte es sie doch, dass sie nichts von Rifkins Anwesenheit bemerkt hatte. Bis auf eine Begegnung im Fahrstuhl und einen Vortrag zum Thema Geschworenenauswahl hatte Julia den leitenden Staatsanwalt der Major Crimes nie offiziell kennengelernt. Und auch wenn sie in ihren zwei Jahren als Anklägerin Tausende von Malen in der ersten Etage gewesen war, um mit der Abteilung für Berufsverbrechen um Deals für
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