Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vanilla aus der Coladose

Vanilla aus der Coladose

Titel: Vanilla aus der Coladose
Autoren: Eva Hierteis
Vom Netzwerk:
hier wohnt meine kleine Schwester Mathilda.« Sie zeigte nach rechts und stieg über ein großes schwarzes Tuch hinweg, das auf dem Boden lag. Es war mit lauter winzigen Totenköpfen bedruckt – ein sicheres Zeichen, dass es Olaf gehörte.
    Vanilla hob es auf und schlang es sich lässig um den Hals. Perfekt. Jetzt sah sie aus, als wäre sie einer Modezeitschrift entstiegen. »Und wessen Zimmer ist
das?«
, fragte sie und deutete auf das Totenkopfzeichen an der nächsten Tür.
    »Das ist Olafs Totenkopfbude«, meinte Laili abfällig. »Olaf ist mein großer Bruder.«
    Vanilla blieb interessiert stehen.
    »Vergiss es«, sagte Laili. »Da darf keiner rein. Außer ihm, ein paar Spinnen und Fräulein Müller, seiner Giftschlange. Klingt nicht gerade einladend, oder?«
    Vanilla nickte, aber ihre Augen funkelten neugierig. Als sie weitergingen, drehte sie sich noch zweimal nach Olafs Tür um.
    »Hier – tadaaa! – ist das Klo.« Laili öffnete schwungvoll die Tür. Auf dem Klo saß Mathilda, baumelte mit ihren kurzen Beinchen und schrie: »Schaut mich nicht an! Ihr sollt mich nicht anschauen!«
    Laili klappte die Tür schnell wieder zu. Saß ihre Schwester da immer noch oder schon wieder? Vanilla machte ein angewidertes Gesicht.
    »Die Küche kennst du ja.« Laili zwinkerte dem Flaschengeistmädchen zu. Verwundert stellte sie fest, dass ihre Mutter am Herd stand. Mit verkniffenem Mund schlug sie Eier in die Pfanne und begann, wild zu rühren. Schlechtes Zeichen. Ganz schlechtes Zeichen. Normalerweise war Papa der Küchenchef. Mama kochte nur, wenn sie auch vor Wut kochte.
    »Hallo Mama«, sagte Laili, »das ist Vanilla.«
    »Hallo.« Ulrike schaute nicht auf, sondern zerschmetterte ein weiteres Ei am Pfannenrand.
    »Tja, das ist meine Mama, Ulrike Brot«, erklärte Laili. Ihre Mutter trug noch immer ihren Mädchennamen, weil sie und Bernd nicht verheiratet waren.
    »Ulaya Papaya«, widersprach sie und warf ihrer Tochter einen strengen Blick zu. »Kannst
Ulaya
zu mir sagen«, erklärte sie Vanilla. Mama fand, dass man nicht
Ulrike Brot
heißen konnte, wenn man Bauchtänzerin war und eine Bauchtanzschule hatte. Also hatte sie sich kurzerhand etwas Fruchtigeres ausgedacht. Laili beschloss, sich bei Gelegenheit auch einfach einen neuen Namen auszusuchen. Denn
Laili Nachtweh
konnte man schließlich auch nicht heißen. Nicht mal als Tochter einer Bauchtänzerin. Und dabei war das schon die entschärfte Version, denn eigentlich hieß sie Anjalaila Suleika Nachtweh. Die Welt war echt ungerecht. Weil ihre Eltern sich nicht auf einen Namen für ihre Kinder einigen konnten – wie sie sich überhaupt sehr selten auf etwas einigen konnten –, hatte Papa die Namen für Olaf und Mathilda ausgesucht. Gut, die waren jetzt auch nicht der Bringer, aber immerhin erträglich. Für
Laili
war natürlich Mama verantwortlich. Anjalaila war frei erfunden, aber Suleika bedeutete
Verführerin
auf Arabisch. Na toll!

    Olaf, der bereits am Tisch lümmelte, gab nur ein undeutliches Knurren von sich, als Vanilla ihr »Hallöchen!« in die Runde trällerte. Er und Papa saßen stumm nebeneinander wie zwei Mönche, die ein Schweigegelübde abgelegt hatten. Die Stimmung war im Keller. Dort, wo auch Mamas Bauchtanzschule war. Nur viel tiefer.
    Einzig Mathilda hatte gute Laune. Nur in der Unterhose, die sie falsch herum angezogen hatte, kam sie kichernd angeflitzt und kletterte auf ihren Hochstuhl. Laili und Vanilla nahmen auf der Eckbank Platz.
    Laili betrachtete ihre Mutter, die am Herd herumfuhrwerkte. Schon ihr Rücken strahlte Ärger aus. Und da kam es auch schon: eine Schimpftirade auf Papa, der beim Einkaufen das Brot vergessen hatte und die Butter und außerdem das Nutella und die Zwiebeln und die Gürkchen und den Käse und überhaupt alles. Nur Eier hatte sie gefunden und ein paar verdörrte Rosinen. Vor lauter Schimpfen vergaß Ulrike ganz, Laili zu fragen, was ihre Freundin hier schon so früh wollte. Stattdessen knallte sie die Pfanne und einen zusätzlichen Teller auf den Tisch und schubste jedem eine Portion Rosinenrührei auf den Teller.
    Laili sah Vanilla an. Die wich ihrem Blick aus und hüstelte.
    Dieses Biest!, dachte Laili. Dieses gefräßige Dosenbiest! Sie schoss ihr einen Blick zu, der das Flaschengeistmädchen den Kopf einziehen ließ. Vanilla schien in ihrer Ecke ein wenig zu schrumpfen.
    Schweigen legte sich wie eine dicke, schwere Decke über den Tisch.
    »Iiihhh, Rührei mit Rosinen!«, entfuhr es Laili.
    »Zwiebeln sind ja
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher