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Vanilla aus der Coladose

Vanilla aus der Coladose

Titel: Vanilla aus der Coladose
Autoren: Eva Hierteis
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zurück.

    Meeresrauschen? Romantisch?
Laili kicherte in ihr Kopfkissen. Das war dann ja wohl eher das romantische Rauschen der Autobahn, dachte sie. Aber das behielt sie lieber für sich. »Ja, unheimlich romantisch«, sagte sie.
    Vanilla schien mit dieser Antwort sehr zufrieden. »Ja, finde ich auch.« Sie verdrückte den letzten Bissen und kletterte zu Laili ins Bett.
    Wie ein Wasserfall sprudelte sie weiter, während Laili aller Müdigkeit zum Trotz versuchte, ein interessiertes Gesicht zu machen. Ab und zu sagte Laili: »Oh!« und: »Ach!« und: »Echt?« und: »Unglaublich!« Bis ihr sogar dazu die Kraft fehlte. Stumm sah sie das Flaschengeistmädchen an, obwohl sie Vanilla kaum noch erkennen konnte. Ihr Blick hatte sich wegen des beißenden Zwiebelatems aus nächster Nähe vor Tränen verschleiert. Laili klappte die Augen einfach zu. Sie glaubte sowieso nicht daran, dass Vanilla am nächsten Morgen, wenn sie aufwachte, noch hier neben ihr im Bett läge.
    Urrrrälps!
, rülpste Vanilla ihr mitten ins Gesicht. Dabei hatte Laili doch so eine feine Nase. Schlimme Gerüche konnte sie ganz schlecht aushalten. Und dieser Zwiebelgestank
war
schlimm. Dagegen kam auch der zarte, süße Vanilleduft, der von Vanilla ausging, nicht an.
    Laili drehte dem Flaschengeistmädchen den Rücken zu. Sie ruckelte ein paarmal hin und her, bis sie in einer gemütlichen Kuhle lag. Dann zog sie die Beine an, rollte sich wie eine junge Katze zusammen und strich sich eine Strubbelsträhne aus dem Gesicht, die sie an der Nase kitzelte.
    Diese Vanilla war mit Abstand der seltsamste Traum, den sie je gehabt hatte. Heiß schnaufte er ihr in den Nacken. So heiß, wie Träume es eigentlich nicht tun. Aber Laili war so erschöpft, dass sie trotz des heißen Atems und des nicht enden wollenden Redeschwalls, der aus Vanilla herausplätscherte, immer schwerer und schwerer wurde. Ab und zu drangen noch ein paar Wortfetzen zu ihr durch: wirres Zeug von einer Schnapsflasche, die in einer Ketschupflasche eingesperrt war, bis sie rote Flecken bekam. Und von einem fettigen Onkel, der in einem gelben Zelt wohnte, das die Form eines Schlüpfers hatte. Oder war das schon Lailis Traum?

. . . und einmal, da bin ich aus Versehen in einer Schnapsflasche eingesperrt worden«, erzählte Vanilla. »Da war’s mir vielleicht speiübel, kann ich dir sagen.« Sie kicherte. Laili kicherte nicht mit. Viel Humor schien sie ja nicht zu haben. »Und als ich mal in einer Ketschupflasche gewohnt habe, also, das war auch nicht schön. Da habe ich immer voll fies nach Essen gestunken und hatte ständig rote Flecken auf der Kleidung. Hat echt schlecht zu meinem grünen Top gepasst. Aber in einer traditionellen Öllampe wie bei Onkel Pedram ist es auch nicht besser. Davon kriegt man fettige Haare.« Sie fuhr sich durch ihre schwarz glänzenden Schneewittchenhaare.
    Laili gab keine Antwort.
    »Ach, es ist schön, nach all den Jahrzehnten mal wieder jemanden zum Reden zu haben«, sagte Vanilla.
    Laili schwieg.
    »Du, Laili?«
    Stille.
    »Laili!«
    Schnaufen.
    »Laili? Sag mal,
schläfst
du?«
    Schweigen. Das war dann wohl ein Ja.
    Frechheit!, dachte Vanilla. Sie erzählte dieser Laili, in deren Leben die blöde Coladosensammlung wahrscheinlich das Wildeste war, ihre echt, echt aufregende Lebensgeschichte und die schnarchte einfach ein. Was dachte die sich eigentlich? Kein Benehmen, die jungen Leute von heute! Aber die Dosensammlung war schon toll, das musste sie zugeben. Wie für sie gemacht.
    Aus Vanillas Bauch stieg von weit unten ein Zwiebelrülpser hoch und verschaffte sich lautstark Luft. Ihre Zwiebelfahne war so dick und scharf, dass man sie fast schneiden konnte.
    »Gute Nacht«, murmelte Vanilla beleidigt und kletterte über Laili hinweg, um sich in der Küche noch einen Nachschlag zu holen. Die paar mickrigen Brote, die Laili ihr gemacht hatte, waren ja für den hohlen Zahn!
    Im Kühlschrank fand sie saure Gürkchen. Auf einem Regal stand ein Glas mit der Aufschrift
Nutella
. Ob das etwas Essbares war? Vanilla schraubte den Deckel auf und lugte hinein. Sah aus wie Hundekacke. Misstrauisch schnüffelte sie daran. Aber roch gut. Sie steckte den Finger hinein und schleckte ihn ab. Wirklich lecker, die Hundekacke-Creme. Sie schnappte sich noch das Brot und wanderte durch die dunkle Wohnung. Obwohl sie nun nicht mehr über dem Boden schwebte, waren ihre leichten, tänzelnden Schritte doch fast lautlos.
    Im Wohnzimmer schaltete sie eine kleine, durchlöcherte Blechlampe an,
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