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Vanilla aus der Coladose

Vanilla aus der Coladose

Titel: Vanilla aus der Coladose
Autoren: Eva Hierteis
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ausprobiert, aber sie musste vorsichtig sein. Sie war ja eigentlich gar nicht hier. In der anderen Ecke entdeckte sie auf einem niedrigen Tischchen einen Glaskasten. Da drin musste die Schlange sein. Aus der Ferne war sie nicht zu sehen. Vanilla trat näher. Dicke Zweige krümmten sich in dem Terrarium und zwei Pflanzen mit fächerartigen Palmenblättern wucherten zum Deckel hinauf. Dann entdeckte Vanilla die Schlange, die neben einer flachen Wasserschale lag. Leider lugte nur ihre hellbeige Schwanzspitze unter einem großen Stück Rinde hervor.
    Vanilla hob vorsichtig den Gitterdeckel des Terrariums an und schob ihn beiseite. Für das popelige bisschen Schwanzspitze hatte sie nicht all diese Gefahren auf sich genommen . . . Mit einem Stift von Olafs Schreibtisch stupste sie das Rindenstück an. In diesem Moment ertönten schlurfende Schritte auf dem Flur. Olaf war doch schon weg, oder? Der hatte doch beim Frühstück angekündigt, dass er zu seinem Freund Atze gehen wollte.
    Aber wie sagte Vanillas Mutter immer so schön:
Vorsicht ist die Mutter der Wunderlampe.
Das Flaschengeistmädchen ließ den Stift fallen, machte einen Satz vom Terrarium weg und war schon unter dem Bett verschwunden. Keinen Moment zu früh. Denn im nächsten Augenblick ging die Tür auf und ein paar ausgelatschte Sneakers kamen herein. Vanilla biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte einen Fluch. Die konnten niemand anderem gehören als Olaf!
    Vanilla sah Olafs Füße im Zimmer herumwandern. Die Sneakers hatten schon ein paar Löcher. Vielleicht damit der Gestank entweichen konnte, dachte Vanilla und grinste. Doch das Grinsen verging ihr, als ihr plötzlich siedend heiß einfiel, dass das Terrarium noch offen stand. Oh nein! Bei der öltriefenden Wunderlampe! Wenn er das merkte, dann würde es Ärger geben. Gewaltigen Ärger.

    Olaf raschelte herum und murmelte vor sich hin. »Nein, hier ist es auch nicht . . . Oder da? . . . Nö.« Schließlich stieß er ein erfreutes »Ah!« aus. Offenbar hatte er gefunden, was er suchte.
    Vanilla atmete auf, als sich die Tür wieder hinter ihm schloss. Aber das war keine gute Idee. »Haaaaaaatschi!«, verschaffte sich der lange unterdrückte Nieser endlich Luft. Vanilla lag wie schockgefrostet unter dem Bett und starrte zur Tür. Ob Olaf sie gehört hatte? Sie zuckte zusammen, als die Tür sich mit einem leisen Klicken einen Spaltbreit öffnete. Jetzt war sie geliefert! Vanilla kniff die Augen zu und wartete darauf, dass das Unheil seinen Lauf nahm.

    Aber nichts geschah. Keine Schritte. Kein Olaf. Vanilla konnte ihr Glück kaum fassen: Olaf hatte die Tür einfach nicht richtig zugemacht und sie war von selbst ein Stück aufgegangen. Noch ahnte Vanilla nicht, dass das Unheil sehr wohl seinen Lauf nahm. Nur anders, als sie gedacht hatte . . .
    Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Und dann sah sie es: Fräulein Müller! Die Schlange! Sie war aus dem Terrarium geflohen und kroch nun mit schlängelnden Bewegungen über den Boden. Die war doch giftig, hatte Laili ihr erzählt! Ohneinohneinohnein! Wollte das Biest zu ihr? Wenn sie sich doch nur klein zaubern könnte. Obwohl – dann würde das Vieh sie am Ende noch in einem einzigen Haps verschlingen. Vanilla hatte nicht vor, als Schlangenfutter zu enden. Sie sah sich nach der Spinne von vorhin um – könnte sie ihr die zum Fraß vorwerfen?
Bitte komm nicht näher, Fräulein Müller
, flehte sie im Stillen.
Kriech woandershin!
    Gebannt sah sie der Schlange zu, die sich weiter über den Teppich schlängelte, mal hierhin züngelte, mal dorthin zischelte und sich in Richtung Tür bewegte. Upsi! Das Biest durfte doch nicht entwischen! Vanilla überlegte fieberhaft. Gab es einen Zauber, mit dem sie die Schlange ins Terrarium zurückbefördern konnte? Oder die Tür schließen? Ihre Gedanken rasten, kreisten, wirbelten . . . und landeten in einer Sackgasse. In ihrem Kopf herrschte eine große dunkle Leere.
    Doch es war ohnehin zu spät. Vanilla sah noch Fräulein Müllers Schwanzspitze durch den Türspalt zucken. Dann war auch die verschwunden.

L aili!«, kiekste Vanilla aufgeregt, als sie in Lailis Zimmer stürmte. »Es ist . . . es ist was . . . passiert!« Sie sah sich gehetzt um. »Die Schlange . . . Olafs Gift-schlange ist entwischt!«
    Lailis Mundwinkel, die sich bei Vanillas Anblick voller Freude zu einem breiten Lächeln verzogen hatten, sackten drei Stockwerke tiefer. »Was sagst du da?« Laili unterdrückte ein Hicksen. »Fräulein Müller ist
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