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Vanilla aus der Coladose

Vanilla aus der Coladose

Titel: Vanilla aus der Coladose
Autoren: Eva Hierteis
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sich für einen begnadeten Dichter hielt, und Mathilda . . . ohne Worte. Und Laili selbst? Sammelte nur Coladosen. Aber das war ja kein Unsinn. Das war cool. Einzigartig. Wunderbar.
    Lailis Vater wuchtete die letzte Reisetasche aus dem Auto und wankte mit zwei schweren Koffern und einem riesigen Rucksack beladen zwei Schritte in Richtung Haustür. Lailis Mutter tippelte und tänzelte (so gehen Bauchtänzerinnen eben) mit einem kleinen Handtäschchen und ihren orientalischen Schnabelschuhen voran. Die silbernen Fußkettchen an ihren Knöcheln bimmelten fröhlich. Hinter ihr setzte sich die Karawane in Bewegung: Laili, die eine viel zu große Reisetasche hinter sich herzerrte. Danach kam Olaf, der zwei Reisetaschen geschultert hatte und sich immer wieder den zu langen Pony aus den Augen pustete, und als Letzter Lailis Papa mit feuerrotem Kopf – ob vom Sonnenbrand oder von der Anstrengung, ließ sich schwer sagen. Auf jeden Fall leuchteten die Hautfetzen, die sich von seiner Nase abschälten, dadurch umso weißer, was ihm etwas Fliegenpilziges verlieh.
    Als Mama die Haustür aufsperrte, war es mit der himmlischen Ruhe für Frau Speckfett endgültig vorbei. Mit zusammengekniffenen Augen stand die gelb gelockte Frau hinter ihrer Wohnungstür und beobachtete durch den Spion, wie die Nachtwehs einer nach dem anderen im Gänsemarsch vorbeizogen. Dass Lailis Vater die Haustür an den Kopf bekam, weil Olaf vergaß, sie ihm aufzuhalten, entlockte ihr ein kleines Lächeln. Das erste an diesem Tag. Lailis Vater entlockte es ein Stöhnen.

    Frau Speckfett schnaubte walrossartig, als die Nachtwehs die Treppe hinaufpolterten. Im Stockwerk darüber vernahm sie das Quietschen eines Schlüssels und das Ächzen einer Wohnungstür. Dann stampfte die Elefantenherde durch den Flur direkt über ihr, dass ihre Gläser in der Vitrine klirrten.
    Wummm!
, machte es. Und
poff!
Und
wummpoff!
    Oben hatte Lailis Vater gerade mit letzter Kraft die Koffer im Flur fallen lassen. Er warf sein Hawaii-hemd von sich und sich selbst im weißen Feinrippunterhemd auf das abgewetzte grüne Ledersofa in seinem Arbeitszimmer. Sein
Dichtersofa
, wie er immer zu sagen pflegte.
    Dabei war er Lehrer – was ihn aber nicht davon abhielt zu dichten. Leider. Er zupfte sich einen besonders großen Hautfetzen von der verbrutzelten Nasenspitze ab, rieb sich die Beule an der Stirn und begann, mit einem Zipfel seines Unterhemds seine runde Brille zu putzen.
    Und schon machte das Dichtersofa seinem Namen alle Ehre und das erste Gedicht schwuppste über seine trockenen Lippen:
    Oh, Sofa, hab ich dich zurück!
    Mein Sofa ist mein größtes Glück!
    Du bist so schön und ledern
,
    das vertraute Quietschen deiner Federn
    lässt vor Glück mein Herzen erzedern!
    »He, das ist gut. Richtig gut!«, sagte er beglückt und tätschelte das Sofa.
    »
Erzedern
gibt’s nicht«, sagte Laili.
    »Papperlapapp.« Ihr Vater machte eine Handbewegung, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. »Das ist Kunst. Das verstehst du nicht.«
    Laili lächelte nur gequält. Seine Gedichte waren ihr peinlich. Sie schämte sich dafür. Sehr.
    Am allerschlimmsten war es aber, wenn er sie vor ihren Freunden zum Besten gab. Ihre beste Freundin Tine zum Beispiel lachte zwar immer artig – aber mehr über den Dichter als über seine Gedichte. Was Lailis Papa jedoch leider entging. Deshalb setzte er dann regelmäßig sein »Ich-bin-ein-großer-Poet«-Lächeln auf. Er hielt sich nämlich für ein verkanntes Genie. (Verkannt stimmte. Genie nicht.) Er träumte davon, eines Tages berühmt zu werden und die Schule an den Nagel zu hängen (also nicht die ganze Schule, sondern bloß sein Lehrerdasein). Dann wollte er nur noch auf seiner Dichtercouch liegen und vor sich hin dichten. Eine Horrorvorstellung!
    »Ah, wartet!«, rief Bernd. »Eins hab ich noch!«
    Ein Elefant
    kam angerannt
    und setzte sich mit seinem Po
    auf ein viel zu kleines Klo.
    Mathilda kicherte. Das war ganz nach ihrem Geschmack. Laili und Olaf wechselten einen Blick. Olaf verdrehte die Augen hinter seinem Ponyvorhang. Zeit, die Fliege zu machen.
Poff, poff!
Er warf die Reisetaschen in eine Ecke. Mit hängenden Schultern und schlurfenden Schritten, als habe nunmehr sein letztes Stündlein geschlagen, schleppte er sich und seinen Rucksack in sein Zimmer.
Peng
, fiel die Tür hinter ihm zu. Ein aufgemalter Totenkopf prangte darauf. Das bedeutete wohl so viel wie
Betreten verboten
.
    »Annirosel! Lila! Kasti! Kokodril! Talita! Pupella!
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