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Vanessa, die Unerschrockene

Vanessa, die Unerschrockene

Titel: Vanessa, die Unerschrockene
Autoren: Joachim Masannek
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nicht und deshalb blieb nur noch die Rückkehr nach Hamburg. Ja, und zwar heute noch, Hals über Kopf, bei Nacht und Nebel, genau so wie wir gekommen waren. Das hatte mir mein Vater versprochen. Doch so sehr ich mir das auch wünschte, so richtig gut fühlte ich mich dabei nicht.
    Da klopfte es an der Tür, und Oma Schrecklich kam in mein Zimmer. „Ogottogott, Kindchen, was war das bloß für ein Tag?“, ächzte und sie und setzte sich zu mir auf die Matratze. „Wenn ich das nur gewusst hätte, wär ich zu Hause geblieben. Für so etwas bin ich einfach zu alt!“ Sie musterte mich aus den Augenwinkeln heraus, und als sie sah, wie verzweifelt ich war, lächelte sie. Sie lächelte ein Lächeln, dass sie noch nie gezeigt hatte, und das merkte sie in diesem Moment wohl selbst. „Oh, Tschuldigung, aber, Vanessa, dieses Lächeln hab ich von dir. Das hast du mir heute geschenkt!“
    Jetzt war ich völlig verwirrt. Ihr Lächeln war wunderbar,  und wie konnte ich ihr so etwas schenken, wenn ich doch selbst nur verzweifelt war. „Einen Moment. Halt, Oma!“, hob ich meine Hände, und dachte daran, wie sie mich haben wollte, seitdem ich auf der Welt war. „Mach dir bitte keine falschen Hoffnungen, hörst du? Nur weil das heute nicht gerade gelaufen ist, werd ich kein richtiges Mädchen.“

    „Davon gehe ich aus“, grummelte sie. „Ja, und so wie ich dich kenne, wirst du auch keinen Gedanken daran verschwenden, deine Sportart zu wechseln, habe ich Recht?“ Sie musterte mich mit hochgezogenen Brauen. Mir wurde ganz mulmig dabei: „Ogottogott! Was ist Fußball doch nur für ein Sport! Wenn ich das früher gewusst hätte, ogottogott Kindchen, dann hätt ich mir vielleicht selbst noch rote Fußballschuhe gekauft.“
    Wieder zeigte sie dieses Lächeln und dann nahm sie mich in den Arm. „Ja, und was die anderen Schuhe betrifft, mach dir darüber mal keine Gedanken. Du hast ihnen nur heimgezahlt, was sie ausgeteilt haben. Ja, und jetzt wissen sie es ganz genau. Du bist nicht nur ein Mädchen, das so gut Fußball spielen kann wie sie selbst. Nein, du bist mehr als das. Du bist gefährlich und wild!“
    Sie drückte mich ganz fest an ihre rosa Brust und zum ersten Mal spürte ich, was für ein wunderbarer Ort das doch ist. Oma Schrecklich lächelte wieder und jetzt steckte mich ihr Lächeln an. Es war das Ich-find-mich-und-meinen-Mut-wieder-Lächeln und mit diesem Lächeln begrüßten wir meinen Vater, der jetzt in mein Zimmer kam.
    Ohne anzuklopfen und mit absolut miesester Laune kam er herein und stopfte alles, was lose herumlag, in einen Koffer.
    „Was machst du da?“, fragte ich ihn.
    „Ich packe!“, muffelte er.
    „Packen, wozu?“, fragte meine Großmutter weiter und zwinkerte mir dabei amüsiert zu.
    „Wir fahren nach Hamburg. Noch heute Nacht“, grummelte er.
    „Hamburg? Wozu?“, spielte ich das Spiel weiter.
    „Wozu? Was soll das? Wollt ihr mich beide verladen?“, motzte mein Vater zurück und blitzte mich an. „Ich hab es dir doch versprochen. Und einen Makler für das Haus habe ich auch schon gefunden.“
    „Aha!“, raunte ich. „Das ist aber schade. Ich will nämlich gar nicht nach Hamburg zurück. Ich gehe morgen hier in die Schule. Ich bin nämlich so wie ich bin.“
    Ich zwinkerte meiner Großmutter zu, und dann half ich ihr auf. Wir nahmen meinen Vater in unsere Mitte und ein zweites Mal an diesem Tag räumten wir auf. Wir räumten alles aus den Koffern, die mein Vater bereits gepackt hatte, zurück.

Ich bin so wie ich bin
    Am nächsten Morgen fuhr ich mit meinem Fahrrad zur Schule. Es war ein warmer Spätsommertag und trotzdem zog ich die Kapuze meines Sweatshirts tief in die Stirn. Ich tat das, weil ich das immer tat, wenn ich unsicher war und zu allem entschlossen. Ja, und deshalb sah ich den Mistkerl wohl erst, als er direkt vor mir stand. Ich hatte mein Fahrrad an eine Laterne gekettet und war auf dem Weg zum Pausenhof, als er urplötzlich vor mir aus dem Boden wuchs. Er war mächtig und fett, und seine Augen glühten wie Laser aus den Speckfalten seines Gesichts zwischen Stirn und Wangen hervor. Er trug ein Darth-Vader-T-Shirt, und sein Atem rasselte wie der eines uralten Pottwals, nachdem er einmal um die Welt getaucht war. Oder kam das Rasseln nur von der Fahrradkette, die sein Kumpan hinter ihm genüsslich durch die Finger zog?
    „Nein! Bitte nicht!“, war mein erster Gedanke und der zweite folgte sofort hinterher: „Scheint ja ganz so, als seien die Wilden Kerle nicht die
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