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Vampire küssen besser

Vampire küssen besser

Titel: Vampire küssen besser
Autoren: Savannah Russe
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nie erzählt. Als ich die oberste Stufe erreichte, erkannte ich, dass die Tür zu seiner Wohnung ein Spalt weit offen stand. Ich stieß sie auf und trat über die Schwelle.
    »Sid? Ich bin’s. Daphne Urban. Wir waren für Viertel nach sieben verabredet«, rief ich.
    Im Flur brannte kein Licht, und ich wurde panisch. Als Nächstes traf mich ein Schlag im Rücken, und ich flog gegen eine Wand. Eine Hand landete zwischen meinen Schulterblättern und nagelte mich fest. Meine Arme wurden zurückgerissen, und dann schnitt der kalte Stahl von Handschellen in meine Gelenke.
    »Hallo, Miss Urban«, begrüßte mich eine seidige Stimme, während ich ins Wohnzimmer gestoßen und mit roher Hand auf einen Holzstuhl gedrückt wurde.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?« Ich begann, am ganzen Leib zu zittern. Unter meinem Mantel machte sich das Geräusch aufflatternder Flügel bemerkbar, und ich fing an, mich zu erheben. Ein Typ im Anzug drückte mich mit feister Hand nach unten. Dass er ein Bulle war, ließ sich unschwer erkennen. Ein zweiter saß mir gegenüber. Er war mittleren Alters, trug einen eleganten grauen Anzug mit scharfen Bügelfalten, eindeutig Savile Row. Die Beine hatte er übereinandergeschlagen, und ich erkannte den Gucci-Schuh, der sich dicht vor meinem Knie befand. Er saß zurückgelehnt in einem von Sids grünen Sesseln mit den breiten Armstützen, ein niedriges, kastenförmiges Teil im Stil der fünfziger Jahre. Nur der gelbe Kegel einer Tischlampe erhellte sein Gesicht. Sein graues Haar war lang, jedoch sorgsam zurückgekämmt. Es verlieh ihm einen künstlerischen Anstrich. Er war glattrasiert, seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, nichtssagend, die Fingernägel kurzgeschnitten. Er trug eine silberne Armbanduhr, eine Tag Heuer, tippte ich. Alles an ihm war sauber, neutral, unauffällig. Das einzig Ungewöhnliche war die fehlende Hälfte seines linken Zeigefingers. Er wirkte entspannt, während er regungslos dasaß und mich studierte.
    »Miss Urban«, begann er und blickte mich an, ohne Lidschlag, wie eine Eidechse oder Schlange. »Ich – beziehungsweise wir – haben Sie beobachtet. Wir haben darauf gewartet, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, zu einer Zeit und an einem Ort, die ein privates Treffen möglich machen. Warum? Nun, um es schlicht und einfach auszudrücken: Die Regierung der Vereinigten Staaten möchte Sie haben. Und ich habe ein Angebot, das Sie nicht werden ausschlagen können.« Bei den letzten Worten lächelte er ein wenig, doch scherzhaft waren sie nicht gemeint. »Nein, das trifft nicht ganz zu«, ergänzte er. »Sie können das Angebot selbstredend ausschlagen. Es steht Ihnen frei. Allerdings würde das bedeuten, dass Sie des Lebens überdrüssig sind.«
    »Wie soll ich das verstehen?«, entgegnete ich. Der Mann saß mir so dicht gegenüber, dass ich sein Aftershave riechen konnte. Ich glaube, es war von Versace. Ich mag schöne Dinge und achte auf sie. Mir fuhr durch den Sinn, dass sich unter seinem wenig einprägsamen Äußeren eine gewisse Grandezza verbergen könnte. Versace ist nichts für einen adrett gekleideten Konservativen. Er war nicht das, was er vorgab zu sein. Der schwere Bulle, der die Hand auf meiner Schulter hatte, roch säuerlich, als hätte er Angst. Der Geruch war mir nicht neu. Wahrscheinlich hatte er Angst vor mir. Der Gedanke durchzuckte mich jedoch nur wie der Flügelschlag einer Fledermaus, schließlich war ich vollauf damit beschäftigt, meine eigene Furcht in den Griff zu kriegen, denn die Furcht kommt immer als Feind, und wenn sie sich zur Panik entfaltet, vertreibt sie den Verstand. Dann übernimmt der primitive Teil des Gehirns das Ruder und signalisiert Angriff oder Flucht. Für mich kam weder das eine noch das andere in Frage. Im Raum befanden sich drei Männer. Zwei von ihnen hatten mich gepackt. Einer stand neben mir, der andere vermutlich hinter mir, eingehüllt in Dunkelheit. Hielt er eine Waffe auf mich? Ein Gewehr? Einen Pflock? Irgendetwas war da. Um fliehen zu können, müsste ich zur Tür oder zum Fenster gelangen. Sie würden versuchen, mich aufzuhalten. Ich könnte mich natürlich auch zum Angriff entschließen. Selbst mit den Handschellen gäbe es noch Möglichkeiten. Aber sollte ich tatsächlich kämpfen? Sollte ich mich in das Monster verwandeln, das ich inwendig war? Zur Beruhigung konzentrierte ich mich auf meinen Atem und wartete auf die Antwort des Mannes mir gegenüber.
    »Miss Urban«, wiederholte er und hielt meinen Blick fest. »Falls Sie
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