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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena
Autoren: Haley Tanner
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Gedankengang.
    »Denk jetzt nicht daran. Wir sprechen später. Jetzt nichts mehr davon«, sagt Vaclav.
    Lena gibt ein Gegrummel von sich, und sie gehen die Siebte Straße weiter bis zur Avenue P, Richtung Schule.
    |41| Wie die Dinge in der Schule stehen
    Die Public School 238 ist ein uraltes Gebäude aus großen Ziegelsteinen, mit gewaltigen Türen und Fenstern. Es gibt eine riesige Eingangstür an der Vorderseite der Schule, wo Eltern und Lehrer und Besucher eintreten können. Die Schüler, Vaclav und Lena eingeschlossen, müssen die Seitentüren benutzen.
    Jeden Morgen spielen die Schüler auf dem Nebenschulhof, den nackten, schwarzen Belag, durchziehen an verschiedenen Stellen Kreidelinien für Himmel-und-Hölle, Four Square, Basketball und Murmeln. Einige Kinder spielen auch Karten und sitzen dabei auf dem warmen Asphalt. Beim Läuten stellen sich die Jungen an der Jungen-Tür in einer Reihe auf und die Mädchen in einer Reihe an der Mädchen-Tür. Die Jungen-Tür befindet sich rechts mit der Steintafel
Jungen
über dem Eingang, die Mädchen-Tür links mit der Steintafel
Mädchen
über dem Eingang. Offiziell benutzt die Schule die beiden getrennten Eingänge seit Jahren nicht mehr, aber die Jungen wollen immer noch nicht durch die Tür für die Mädchen gehen, und obgleich sich die Mädchen gegenseitig kichernd Mut machen, den Eingang für die Jungen auszuprobieren, benutzt ihn doch keines von ihnen.
    Als Lena und Vaclav an diesem Morgen aufkreuzen, haben sie die Zeit zum Spielen verpasst, weil sie unterwegs getrödelt haben, als sie über die Vorführung diskutierten. Vaclav stellt sich ans Ende der Jungenreihe und Lena ans Ende der Mädchenreihe. Die Schlangen fädeln sich langsam im Gänsemarsch in das Gebäude. Vaclav und Lena blicken auf ihre Füße. Für Lena |42| gibt es kein Mädchen, mit dem sie sich unterhalten könnte, und für Vaclav keinen Jungen.
    Drinnen wendet sich Vaclav zum Westflügel und Lena zum Ostflügel. Sie steigen zwei Treppenfluchten hinauf zum dritten Stock. Vaclav geht in Ms. Hunters Klassenzimmer und Lena in Ms. Walldingers Klassenzimmer. Sie werden einander bis zum Ende des Schultages nicht sehen, bis sie beide zum ES L-Kurs , Englisch als Zweitsprache, zwei Treppenfluchten hinunter zum ersten Stock gehen werden, zusammen mit all den anderen Kindern, die Stinkefraß essen.
    In Ms. Hunters Klasse ist Vaclav der einzige Stinkefraß-ES L-Junge am grünen Tisch. Der andere Junge ist Ulysses, und dann sind da noch zwei Mädchen, Nathalie und Genesis. An jedem Tisch sitzen zwei Jungen und zwei Mädchen, kein Tisch hat mehr als einen Stinkefraß-Esser.
    Auf dem Tisch liegt ein
Mach’s gleich!
-Arbeitsblatt. Gewöhnlich liegen immer vier Kopien von dem
Mach’s gleich!
-Arbeitsblatt auf jedem Tisch, und die Kinder sollen sie bearbeiten, sobald sie ins Klassenzimmer kommen.
    Vaclav denkt, dass dieser Teil des Schultags Ms. Hunter vermutlich am besten gefällt. In dieser Zeit steht Ms. Hunter vor der Tür auf dem Korridor, den einen Fuß drinnen, den anderen draußen, und hält Ausschau nach Nachzüglern, selbst wenn alle schon im Klassenzimmer sitzen. Nebenan steht Ms. Troani ebenfalls mit gespreizten Beinen auf der Schwelle ihres Klassenzimmers, und sie unterhalten sich wie die Leute im Fernsehen mit Scherzen und Gesten und Augenzwinkern und Lachen.
    Vaclav konzentriert sich ganz darauf, nicht über Lena nachzudenken |43| oder darüber, wie die Erlaubnis zu bekommen ist. Auf dem Arbeitsblatt steht
Mach’s gleich!
Ein Absatz über Feuer. Dann folgen Fragen zum Brandschutz. Es gibt Anweisungen für die Kinder, mit ihrer Gruppe darüber zu diskutieren, was sie im Falle eines Feuers aus ihrem Zuhause retten würden.
    Vaclav weiß, was er mitnehmen würde, und die Aufgabe hilft ihm überhaupt nicht dabei, sich von seinem Problem mit Lena abzulenken.
    »Hey, V?! Was würdest du nehmen?« Die Kinder in Vaclavs Klasse sagen nicht seinen vollen Namen, bloß den ersten Buchstaben. V. »Fau«. Vaclav weiß nicht, ob das nett gemeint ist, kumpelhaft oder fies. Es kommt ihm nicht sehr fies vor, wenn überhaupt.
    Vaclav beschließt, eine unehrliche Antwort auf diese Frage zu geben, denn es wäre peinlich, die Wahrheit zu sagen. Lena zu retten wäre für ihn das Wichtigste bei einem Feuer.
    »Die Sammlung von David-Copperfield-Videos. Ist doch klar.« Vaclav glaubt, das ist eine sichere Antwort, denn die anderen Kinder reden alle nur über Videos. Er weiß sofort, dass er ins Schwarze getroffen hat,
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