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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena
Autoren: Haley Tanner
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für die russischen Fernsehstationen und fürs Wodkatrinken beim Zuschauen. Er hasste es, auszugehen, er hasste es, wenn die Kassiererin im Laden ihn wie einen Idioten behandelte, weil er die Wörter für dies oder jenes nicht wusste. Rasia erinnerte sich an den Oleg, in den sie sich verliebt hatte. Er war ein Charmeur gewesen, eine Kleinstadtberühmtheit, er flirtete mit alten Damen, verteilte aus seiner Hosentasche Kaugummi und Spielsachen an die Kinder und sang Lieder, um sie zum Lachen zu bringen. Wahrscheinlich würde sie ihn nie zurückbekommen, dachte sie bei sich.
    Wenn es ums Schicksal geht
    Vaclav zählt beim Gehen auf der Avenue U die Schritte von der Dreizehnten zur Zwölften zur Elften, den ganzen Weg bis zur Siebten Avenue, wo er um die Ecke biegt und vor dem großen Mietshaus Lena sieht, die auf einer Backsteinmauer entlang des |38| Bürgersteigs sitzt und ihre Bohnenstangenbeine baumeln lässt. Vaclav ist immer aufgeregt, wenn er sie sieht, heute aber ganz besonders, denn er hat ihr Wichtiges mitzuteilen. Vaclav lächelt und winkt und stolpert leicht, direkt vor ihr auf dem Bürgersteig, fällt aber nicht hin.
    Lena versucht, nicht zu lachen, platzt aber doch laut heraus. Vaclav freut sich, dass Lena zum Lachen aufgelegt ist, das macht es ihm leichter, sie von den neuen großen Plänen zu überzeugen.
    »Hast du die Erlaubnis gekriegt?«, fragt Lena, als sie von der Mauerkante hüpft.
    »Sehr gutes Englisch, Lena!«, sagt Vaclav. Lena verdreht bei dieser Schmeichelei die Augen, reicht Vaclav ihren Stapel Bücher, und sie machen sich gemeinsam auf zur Public School 238.
    »Okay, okay. Hör zu! Schwieriges Publikum. Eine Erlaubnis zu bekommen ist nicht der beste Weg. Darum geht es hier auch nicht, wo es um Schicksal geht. Da ist keine Erlaubnis nötig.«
    »Kriegst du auch nicht«, grummelt Lena.
    »Ich kann diese Erlaubnis haben, wenn ich will, aber das ist nicht der richtige Weg. Das ist eine Prüfung des Universums für uns, und wir müssen uns bewähren und diese Widrigkeit überwinden. Wir sollten dankbar sein für Widrigkeiten, sie geben uns die Chance, unsere Kräfte zu stärken, wie bei Houdini, der nie aufgegeben hat, Neues zu versuchen, und seiner Entfesslungsnummer mehr und mehr Ketten und Schlösser hinzugefügt hat.« Lena verdreht wieder die Augen, weil Vaclav ständig von Houdini und Widrigkeiten und Schicksal redet.
    »Wir machen es auf eigene Faust. Das gibt weniger Ärger |39| und ist deswegen besser, okay?« Vaclav bleibt stehen und blickt Lena flehentlich an. Lena legt ihre Hände an ihre schmalen Hüften.
    »Nein. Deine Mutter muss Erlaubnis geben.«
    »Lena!«
    »Ich tu es nicht ohne Erlaubnis. Gibt Ärger«, sagt Lena und stapft Vaclav voraus.
    »Lena, kein Ärger, es gibt keinen Ärger«, versichert Vaclav. »Wir planen das ganz allein. Niemand wird es erfahren. Wir werden eine Geheimshow in Coney Island haben, mit geheimen Vorführungen, und wir planen im Geheimen. Es wird keinen Ärger geben. Überhaupt keinen.«
    Lena mag Geheimnisse, das weiß Vaclav. Sie verlangsamt ihre Schritte und neigt den Kopf ein wenig. Sonnenlicht schimmert auf den schwarzen krausen Haaren.
    »Lena, da du die beste Hüterin von Geheimnissen bist, wirst du natürlich verantwortlich sein für die geheime Planung der geheimen Zaubervorführung. Du wirst Chef sein.« Vaclav weiß, das gefällt Lena, er weiß, dass dies der Schlüssel ist. Und er weiß auch, dass er selbst immer noch der Chef bei der geheimen Planung sein wird.
    »Nein.«
    »Was?«
    »Du denkst doch, du wirst immer noch der Boss sein. Nein, ist Beschiss, ich tu es nicht.«
    Vaclav beschleunigt seine Schritte, während er über dieses Katastrophenszenario nachdenkt. Es gibt noch eine Liste, die er nicht aufgeschrieben, sondern nur im Geiste abgefasst hat.
     
    |40|
Katastrophenszenarien:
     
    1.   Erlaubnis für die Show auf der Promenade wird nicht gegeben
    UND
    2.   Lena stimmt der Show ohne Erlaubnis der Eltern nicht zu
     
    Vaclav denkt daran, die Show ohne Lena aufzuführen, aber die Show kann nicht ohne Lena stattfinden. Es gibt keine Show ohne Lena. Lena ist nötig für die Täuschung der Zuschauer. Sie haben sich schon so viel erarbeitet. Lena ist unersetzbar. Selbst wenn Lena ersetzbar wäre, würde kein Mädchen an der Schule sie ersetzen, denn keine von ihnen spricht Vaclav je an oder beachtet ihn auf dem Korridor.
    »Plan ist nicht gut, Vaclav   …«, sagt Lena so sanft wie möglich, unterbricht damit aber dennoch Vaclavs
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