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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis
Autoren: Werner Illig
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eine Antwort, und zerfloß vor unsern Augen in hellen Nebel.
    Hein sah sich nach allen Seiten vorsichtig um und wischte mit dem Daumen über die Stelle, wo das Bild verschwunden war, es folgte jedoch nichts.
    »In den Südstaaten«, flüsterte er und trat mir zur Bekräftigung auf den Fuß, »haben sie elektrische Folterkammern …! … Da war old Kappy, ein Schauermann, schwarz von Angesicht, aber mit einem engelweißen Herzen … Sie brauchten aber ein Geständnis, wer die hundert Barrels Tran gestohlen hätte. Dat heißt, der Frachter hatte sie selbst auf die Seite gebracht, wegen die Versicherung, mußt du wissen. Als old Kappy aus der Zelle wieder rauskam, hatte er zeitlebens ’n schiefes Gesicht, dat linke Bein war außer Gang gesetzt un er hatte allens gestanden, wat er nicht begangen hatte. Später haben sie ihn gehangen, womit er zufrieden war, wat is ’n Docker mit ’n lahmes Bein, frag ich?« Er wurde noch leiser. »De Düwel mag wissen, wat for Hallunken uns hier in ihr Garn verwickeln. Dat schlimmste is, dat sie dir mit ’n büschen Strom windelweich machen wie ’n Schwabber, un wenn du sonst ’n Kerl bist, der mit Doppelzentnern Fangball spielt …«
    Er krampfte in ohnmächtiger Wut seine Fäuste.
    Man hatte uns bisher zuviel guten Willen bewiesen, während wir doch gewohnt waren, mit groben Nieten ans Elend gehämmert zu werden, sobald uns die Groschen in der Tasche ausgingen. Wären wir noch lange uns überlassen geblieben, hätten wir vielleicht zu unsrer »Rettung« eine Dummheit ausgeheckt, denn Heins Befürchtungen hatten mich angesteckt. Zum Glück öffnete sich die Tür und der Mann trat ein, von dem, wie wir nach seiner ganzen Art merkten, unser weiteres Schicksal abhing.
    Er blieb dicht vor uns stehn und lugte uns scharf aus hellen, grauen Augen an. Ich glaube, wir gefielen ihm. »Du bist Seemann?« fragte er in gutem Deutsch Hein.
    Hein klappte die Hacken zusammen und meldete forsch für uns beide: »Hein un Korl, schiffbrüchig von der Dreimastbark Albatros, Heimathafen Hamborg …«; etwas weniger sicher fügte er bei »… uns’ Papiere sind versoffen, Herr Präsident, aber dat wir Hein und Korl sind, dat mögen Sie man gläuwen …«
    Der Mann vor uns schüttelte verwundert seinen mächtigen angegrauten Kopf, seine schmalen Lippen preßten sich einen Augenblick lang hart aufeinander und wir fürchteten, er werde uns in den Hackwolf hineinstoßen, der aus Menschenfleisch amtliche Dauerwurst macht.
    »Wir sind hier keine Hampelmänner«, sagte er halb finster, halb spöttisch, und ahmte Heins stramme Haltung nach … »um Ausweispapiere kümmern wir uns schon gar nicht, das laßt mal alles mit dem Albatros auf Grund gegangen sein!«
    Wahrscheinlich haben wir auf diese Rede nicht mit gescheiten Gesichtern gezeichnet, denn er lächelte und das flog uns wie eine gute Botschaft ins Herz. Deshalb mochte ich ihn nicht anschwindeln, als er mich fragte, was mich in die Fremde getrieben hätte. Er gehörte zu den Leuten, vor denen Unaufrichtigkeiten krank werden und krepieren.
    »Sie wollten mich auf zwei Jahre zum Tütenkleben abkommandieren«, sagte ich.
    »Weshalb?« Die grauen Augen verhakten sich in mir, aber von dem Abscheu, den »gebildete Leute« vor einem Zuchthausaspiranten haben, merkte ich nichts. Ich faßte Mut: »Wegen revolutionärer Umtriebe, mein te der Staatsanwalt …«
    Der Mann schwieg lange, was er bei sich dachte, blieb uns hinter seiner hohen breiten Stirn verborgen. Endlich sprach er: »Der Sturm hat euch an die Küste der freien Arbeitergenossenschaft von Utopien geworfen. Wenn ihr klassenbewußte Proletarier seid, werdet ihr euch bei uns wohlfühlen. Mehr als irgendwo auf der Welt gilt bei uns gleiches Recht von Geburt an und solidarisches Handeln. Wir haben unser Haus nach unserm Willen gezimmert und ich denke, ihr werdet finden, daß sich darin gut wohnen läßt.
    Wir behaupten in unserm Land die unbeschränkte politische Macht. – Eine dünne Schicht von Geschäftemachern hat sich noch halten können, weil die letzte Revolution glaubte, ihnen Handelsvorrechte einräumen zu müssen, um uns vor Mangel zu schützen. Diese Zeiten liegen längst hinter uns, dennoch hält es die Mehrzahl von uns für eine unnötige Härte, ihren Besitz einzuziehen und meint, diese Leute würden allmählich im eignen Fett ersticken.« Seine Brauen schoben sich finster zusammen, es war deutlich, daß er diese Ansicht nicht teilte. So spann er wohl einige Sekunden lang eigene Gedanken
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