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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis
Autoren: Werner Illig
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hät ten sie nicht verstanden und fing ohne weiteres an, mir die Kleider zu lösen. Hein fand sich schneller in die Lage. »Denn man tau!« rief er, fuhr flink aus der alten Schale und ließ das Wasser über sich hinbrausen. Das Fräulein nickte ihm munter zu. Dann besah es uns vom Kopf bis zu den Füßen, als wollte es uns auswendig lernen. Hein meinte, es wäre an der Zeit, sich der Dame gefällig zu erweisen und piekte sie mit dem Finger in die Seite. Sie wich aus ohne Zorn, vielmehr wußte sie nicht, was Hein mit dieser Zärtlichkeit bekunden wollte – die Sitten in diesem Land waren eben sehr verschieden von den unsern, das zeigte sich immer deutlicher – raffte unsre alten Klamotten zusammen, winkte uns beruhigend zu und verschwand.
    Wir säuberten uns in Eile, während mir Hein seine Erfahrungen in gewissen japanischen Dampfbädern mitteilte. Sie ließen sich jedoch nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse übertragen, die wir hier angetroffen hatten. Vieles blieb rätselhaft.
    Wir trockneten uns über einem Fußbodengitter, aus dem warme Luft strömte und uns wohlig umhüllte. Die Dame kam zurück und trug weiße Wäsche auf den Armen, in die wir uns kleiden mußten, auch gab sie uns Sandalen aus weichem, weißem Gummi. Alles paßte wie auf Maß gemacht, und ich meinte, daß Heins Vermutungen bezüglich der kritischen Musterung unsrer bloßen Männlichkeit falsch gewesen wären. Er stimm te mir zögernd bei.
    Wir sahen jetzt aus, wie die Mannschaft einer Lu xusjacht in den kurzärmligen, am Hals weit offenen Hemden aus feinem Zeug und den breiten Hosen. Hein befühlte den Stoff zwischen den Fingern und behauptete, er übertreffe die beste indische hausgewebte Bergwolle und er werde einen Ballen davon mitnehmen, wenn der Baas einen Vorschuß auf die Heuer herausrücken wür de, denn wir hofften Schiffsarbeit zu finden.
    Indessen faßte uns das Fräulein an den Händen, als ob wir Kinder wären, und führte uns in den Hof, wo viele Autos von der gleichen Art standen wie das, mit dem wir in dieses gastliche Haus gekommen waren. Wir mußten eins besteigen, das Mädchen machte sich am Vordersitz zu schaffen, wo der Lenker zu sitzen pflegt, sprang aber in dem Augenblick, als der Wagen anzog, heraus, rief uns einen Gruß zu und entschwand unsren Blicken, weil das Fahrzeug in die Straße einbog und wie der Teufel abging.
    »Dat der Schofför vorn in der Blechschnauze bei ’n Motor eingesperrt is, dat is ’ne polizeiwidrige Menschenschinderei«, brummte Hein, »un dat beweist mich, dat hier wat nich stimmen kann mit die Freundlichkeit.« Ich mochte das nicht glauben, zumal der Vorderkasten schmächtiger war als gewöhnlich und kaum ein Kind hätte aufnehmen können, freilich wußte auch ich keine Erklärung.
    Geheuer war uns nicht. Mir fielen Geschichten ein von verkapptem Sklavenhandel, die ab und zu durch die Zeitungen ziehen. Hein bestätigte meinen Verdacht: »Mit ’n strammet Essen geiht dat an und bi die Fremdenlegschon hört et af, und ick will ’n armstarkes Tauende fressen, wenn wir nich im Rekrutendepot vor Anker geihn un morgen Griffe kloppen.« Trotz des Wohlgefühls in unsren Mägen trübten sich unsre Gedanken. Am liebsten wären wir von Bord gegangen, aber die Maschine flitzte wie ein Pfeil durch die brei ten Alleen. Gewaltsam aus dem Leben zu scheiden, war später immer noch Zeit.
    Wir tauchten in ein sehr hohes und stattliches Gebäude ein, kurvten etliche Schraubengänge empor und hielten vor einer offenen Säulenhalle, durch die man in der Ferne das Meer blauen sah. Schon trat ein Mann zu uns heran mit derselben freimütigen Höflichkeit, die uns alle andern bisher erwiesen hatten. Er sprach uns auf deutsch an. »Folgt mir, bitte«, sagte er langsam und mit fremdartigem Einschlag, »Joll möchte Euch sprechen.« Das überraschte uns so heftig, daß wir zu fragen vergaßen, auch ging er rasch vor uns her, öffnete ein Zimmer und schob uns über die Schwelle. »Ein wenig warten.« Er deutete auf die bequemen Stühle, lächelte und ließ uns allein.
     
3
     
    Der Raum war nach einer Seite offen und ging wie es schien auf einen breiten Balkon hinaus. Ein mächtiger Schreibtisch in der Form eines Hufeisens beherrschte die Mitte. Kleine Hebel, Drehknöpfe und matterleuchtete Glasplatten machten ihn fremd. Plötzlich sprach eine Stimme, ohne daß wir ahnten, woher sie kam. In einer der gläsernen Schreibunterlagen zeigte sich bunt der Kopf eines Mannes, neigte sich wie lauschend vor, als erwarte er
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