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Unverstanden

Unverstanden

Titel: Unverstanden
Autoren: Karin Slaughter
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Problem.«

    »Wirklich?« Martin runzelte die Stirn. Er hätte Sandy nie für eine Drogenkonsumentin gehalten.
    »Um das geht’s nicht«, schnaubte Evie. »Ich habe es für uns getan, Martin, um uns ein neues Leben zu geben. Als ich ihr den Kopf einschlug, habe ich es für dich getan. Ich habe sie dreimal mit deinem Auto überfahren. Einmal für jedes Jahrzehnt, das sie dich gedemütigt hat.«
    Die Rechung stimmte zwar, aber Martin schüttelte trotzdem den Kopf. »Es ging doch nie um mich. Du wolltest, dass etwas Schlimmes passiert, damit du dich öffentlich als Opfer präsentieren konntest. Weil du mich nicht schwul machen oder mich mit ALS infizieren konntest, bist du losgezogen und hast jemanden umgebracht. Zwei Jemande.«
    »Martin.«
    »Kaum war ich verhaftet, hast du doch schon mit den Freunden und Verwandten von Gewaltkriminellen telefoniert.«
    »Die Leute von FVGK waren sehr nett zu mir, und es gefällt mir gar nicht, dass du so über sie herziehst«, hielt sie ihm schmallippig entgegen. »Und außerdem hätte ich ja auch dir etwas tun können - ist dir das nie in den Sinn gekommen, du Genie? Ich hätte dich vergiften können. Hast du je darüber nachgedacht?« Sie wartete nicht auf
eine Antwort, was auch okay war, weil er keine hatte. »Ich hätte dir eins über den Kopf ziehen können, damit du danach behindert bist, oder ich hätte dich mit dem Rasenmäher überfahren können.« Sie war sichtlich entrüstet. »Verstehst du das denn nicht, Martin? Verstehst du nicht, dass es so besser ist, weil wir deswegen beide eine zweite Chance bekommen?«
    Martin warf die Hände in die Luft. »Ich geb’s auf. Ich gebe es wirklich endgültig auf.«
    »Was ist denn dein Problem?«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. »Warum verstehst du denn das Grundsätzlichste nicht?«
    »Was ist das Grundsätzlichste?«
    »Was ist so falsch daran, dass man Leute um sich haben will? Dass man gemocht werden möchte? Ist das denn nicht der Grund, warum du immer diese falschen Geständnisse machst, damit An immer wieder kommt, um dich zu verhören?«
    Martin verschränkte die Arme vor der Brust und drehte den Kopf, um zum Fenster hinauszuschauen.
    »Du hast es doch recht nett hier drinnen, Martin. Du kannst den ganzen Tag lesen. Du führst dem Gefängnisdirektor die Bücher. Und zum ersten Mal in deinem Leben respektieren dich die anderen Jungs.«

    Zumindest mit dem letzten Argument hatte sie recht, das musste er zugeben. Martin saß in der Todeszelle. Die Leute schikanierten ihn bei weitem nicht mehr so wie früher (und es war kaum überraschend, dass auch im Gefängnis keiner Sex mit ihm haben wollte).
    Evie redete weiter auf ihn ein. »Du hast dir selbst eine hübsche Nische geschaffen. Das ist viel mehr, als das Leben bei mir dir geboten hätte.«
    Er schüttelte den Kopf, als würde er erst jetzt richtig begreifen. »Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, wer von der Sache wirklich profitiert. Wir haben hier Fernsehen, Mutter. Ich habe dich auf Entertainment Tonight gesehen, wie du in George Clooneys Villa Champagner getrunken hast.«
    Sie strich sich ihren Rock glatt und zupfte eine unsichtbare Fluse vom Kaschmir. »Tu doch nicht so, als würdest du die Situation nicht ausnutzen.«
    »Ich tue wenigstens was Gutes«, erwiderte Martin. Einige der Verbrechen, für die er die Verantwortung übernommen hatte, waren seit Jahren ungelöst. Im People -Magazin hatte er gelesen, dass die Mutter eins seiner »Opfer« auf ihrem Totenbett tatsächlich gesagt hatte: »Wenigstens weiß ich jetzt Bescheid.« Konnte man Martin vorwerfen, dass er die Tochter dieser Frau nicht vergewaltigt und getötet hatte? War es seine Schuld, dass er
das Verbrechen nicht begangen hatte? War es seine Schuld, dass er alles sagen würde, nur damit seine geliebte Anther ihn weiter besuchte?
    Ah, das ist der Knackpunkt.
    » Martin?« Evie schnippte vor seinem Gesicht mit den Fingern. Sie hatte Block und Füller bereits wieder in die Tasche gesteckt. »Ich muss los. Ich habe einen Termin mit den Produzenten wegen deines Films.«
    Martin machte ein finsteres Gesicht. Er war nicht einverstanden gewesen, dass Philip Seymour Hoffman die Hauptrolle übernahm.
    »Ach, jetzt schau doch nicht so. Phil ist ein charmanter Junge.« Sie stand auf und erklärte mit lauter Stimme: »Und jetzt gib deiner Mutter einen Kuss.«
    Er spitzte die Lippen, und sie brachte zuerst die eine, dann die andere Wange so nahe an seinen Mund, dass man es für Zuneigung halten
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