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Unverstanden

Unverstanden

Titel: Unverstanden
Autoren: Karin Slaughter
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könnte.
    »Bis nächsten Monat dann.« Sie drohte ihm mit dem Finger. »Und dass du dann ja bessere Geschichten für mich hast. Dunkle Fantasien. Unkontrollierbare Gedanken. Kochenden Hass. Du weißt schon, um was es geht.«
    Martin schüttelte den Kopf. Bob, seine Lieblingswache, kam zu ihm. Martin streckte die Hände aus, um sich von dem Mann die Handschellen
anlegen zu lassen, aber er sagte ihm: »Du hast noch einen Besuch in einem privaten Raum.«
    »An ist hier?« Martin spürte Herzflattern. »Sie hat mir gar nicht gesagt, dass sie kommt.«
    »Sie haben wieder eine Leiche gefunden«, sagte Bob. »Eine dreißigjährige Prostituierte und Meth-Konsumentin.«
    »Aha, verstehe«, murmelte Martin. Inzwischen hatte er sich darauf spezialisiert, Morde an Prostituierten zu gestehen - er hatte schnell herausgefunden, dass Prostituierte eher weniger Kontaktmit ihren Familien hatten, was es Martin erleichterte, eine nette Hintergrundgeschichte zu fabrizieren. Er fragte: »War das auf der Madola Road?«
    »Abernathy«, antwortete Bob. »Was hast du dir nur dabei gedacht, Mann?«
    Martin schüttelte den Kopf. »Ich kann nichts dagegen tun. Manchmal überkommt mich der Drang einfach.«
    »Warum das Seil?«
    Martin suchte nach einer Erklärung. »Knoten waren das Hobby meines Vaters.«
    Bob seufzte über diese Verderbtheit. Martin wusste, dass er an seinem eigenen Buchvertrag arbeitete (es war erstaunlich, wie viele Leute Schriftsteller sein wollten). Die Beziehung war jedoch nicht völlig einseitig. Bob hatte einen Polizeifunk-Scanner
und redete gern. Die meisten Details, die Martin in seinen Geständnissen benutzte, stammten von dem Mann.
    »Gehen wir.« Bob fasste Martin am Arm und führte ihn aus dem Saal. Als sie den Korridor zu den privaten Räumen hinuntergingen, die für Gespräche zwischen Anwälten und ihren Mandanten - oder zwischen attraktiven Polizei-Detectives und Gefängnisinsassen - benutzt wurden, spürte Martin, wie sein Puls sich beschleunigte. Als dann die Tür aufging und er Anther am Tisch sitzen sah, blieb ihm fast die Luft weg. Sie trug ein leuchtend gelbes Kleid, ihre Haare waren oben am Kopf zu einem sexy Knoten zusammengefasst.
    Martin fiel das hübsche, gelbe Kleid natürlich sofort auf, und er versuchte, sie mit seinem Niederländisch zu beeindrucken: » Het meisje draagt een geile jurk!«
    Sie starrte ihn an, und er spürte die Haut auf seinem Gesicht und fragte sich, ob seine Mutter ihm vielleicht Lippenstift auf seine Wange gedrückt hatte, ohne ihn überhaupt zu berühren.
    An sagte: »Setzen Sie sich, Mr. Reed.«
    Er setzte sich.
    »Wir haben eine Leiche gefunden.«
    »Eine Prostituierte«, ergänzte Martin. »Eine Meth-Süchtige.«

    »Sie war vergraben neben der …«
    »Abernathy Road«, ergänzte er. »Haben Sie mit Ihren Haaren was anders gemacht?«
    Sie berührte verunsichert den Knoten. »Wir fanden ein …«
    »Seil«, sagte er. Warum mussten sie diese Formalitäten immer und immer wieder durchhecheln? »Erzählen Sie mir von Ihrem Tag.«
    »Mein Tag?«, fragte sie und legte die Hand auf den Tisch. Martin wollte sie berühren, ihre zarte Hand mit der seinen streicheln, aber als er es einmal versucht hatte, hatte An ihm mit dem Taser gedroht.
    Martin sprach nun ganz offen - das Gefängnis hatte ihn unverfroren gemacht. »Sie wissen, dass ich Sie liebe.«
    Sie kicherte traurig. »Liebe zahlt die Miete nicht.«
    » Ik wil de hoer graag betalen«, bot er ihr an, denn es gefiel ihm, wie das Niederländische seine Zunge kitzelte.
    Sie seufzte noch einmal. »Mr. Reed …«
    »Ich würde die Miete immer bezahlen!«, wiederholte er, diesmal auf Englisch (er hatte Schwierigkeiten mit den niederländischen Modi). »Ach An, Sie müssen wissen, dass ich Sie anbete.«
    Sie errötete leicht. Es gab einen peinlichen Augenblick.
Dann noch einen und noch einen, sodass es eher peinliche fünf Minuten waren, bevor sie fragte: »Haben Sie das Buch gelesen, das ich Ihnen gegeben habe?«
    »Das von Danielle Steel?« Blumige Liebesromane hatte Martin noch nie sehr gemocht, und das Gefängnis war kaum der Ort, wo man seine feminine Seite zeigen konnte. »Na ja, natürlich habe ich es gelesen. Sie wissen, dass ich alles tue, worum Sie mich bitten.«
    »Sie war mit einem Gefängnisinsassen verheiratet.«
    Martin konnte sich daran überhaupt nicht erinnern. Behutsam korrigierte er sie: »Um genau zu sein, Marie-Ange war mit dem Comte de Beauchamp bereits verheiratet, als sie ihn verdächtigte, der Mörder von
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