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Unverstanden

Unverstanden

Titel: Unverstanden
Autoren: Karin Slaughter
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dann immer noch sagen: »Sapperlot, das war aber eine reife Leistung, Kamerad!«
    Evie schwieg, die Lippen zu einem straffen Lächeln verzogen (wobei, ehrlich gesagt, nach dem Gesichtslifting ihre Miene fast unbeweglich war). Der Wachmann ging wieder davon, und sie sagte: »Kissen. Du hast Kissen gesehen.«
    Martin beugte sich vor. Sie redete nur selten über dieses Thema, und er wollte das Eisen schmieden, solange es heiß war. »Was war, als ich am letzten Tag von der Arbeit nach Hause kam?«, fragte er. »Du sagtest, du hättest Kopfweh.«
    »Dein Vater ist auch immer darauf reingefallen«, kicherte sie. »Ich habe die Automatik auf neutral gestellt und bin aus der Ausfahrt gerollt.«
    »Wie hast du es getan?«, flüsterte Martin, er wollte es jetzt unbedingt wissen. An diesem Punkt ließ ihn immer seine Fantasie im Stich. Er begriff zwar, dass seine Mutter mit dem Cadillac zu Southern Toilet Supply zurückgefahren war, aber
er konnte sich im Leben nicht vorstellen, dass irgendjemand, vor allem nicht Evie, Unique überwältigen konnte. Sie war einfach zu gerissen.
    Evie seufzte und steckte die Kappe auf ihren Füller. Sie schaute schnell zu dem Wachmann, der mit einem anderen Gefangenen sprach. »Sie war selber schuld, dass sie noch dort war, als ich ankam. Sie belud ihr Auto gerade mit mehreren Kisten Orofresh-flush.«
    Martin schüttelte den Kopf. Bürobedarf war eine Sache, WC-Steine aber etwas ganz anderes.
    »Ich habe sie gebeten, mir auf die Toilette zu helfen. Ich bin eine alte Dame, das weißt du doch. Manchmal brauche ich Hilfe beim Gehen.« Sie zwinkerte bei diesen letzten Satz - eine unnötige Geste, dachte Martin. »Als wir dann drinnen waren, ist mir ›aus Versehen‹ ein Zwanziger auf den Boden gefallen, aber ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt. Ich ging auf die Kabine zu, und als sie sich bückte, um ihn aufzuheben, habe ich ihr mit dem Lufterfrischer eins übergezogen.«
    »Hm«, sagte Martin. Tod durch AirControl-Lavendel. Das schien passend. »Und der Besenstiel?«
    »Es musste doch sadistisch aussehen, Martin. Der sexuelle Aspekt ist das Überzeugendste.« Dann fügte sie hinzu: »Außerdem, wer wäre denn
in einer Million Jahre draufgekommen, dass du bereits Sex mit ihr hattest?«
    »War auch ein ziemlicher Schock für mich«, gab er zu. »Aber was war mit Sandy? Was hat sie dir denn getan?«
    »Was meinst du, wer ›Schlappschwanz‹ in deinen Lack gekratzt hat?«
    Martin legte sich die Hand auf die Brust. »Das war Sandy?«
    »Nein, du Idiot, das war ich - aber es sah aus wie etwas, was sie tun würde.«
    Da hatte sie allerdings recht. Sandy hatte Scherze wirklich zu weit treiben können.
    »Ich wollte nur …« Evie schüttelte den Kopf, und ihre Stimme klang plötzlich belegt. »Martin, ich wollte einfach ein besseres Leben für uns. Ich wollte, dass du dich gegen die Leute wehrst. Ich dachte, nach dem ›Schlappschwanz‹ würdest du vielleicht …« Sie schüttelte den Kopf, konnte nicht weiterreden. »Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es ist, ein Kind allein aufzuziehen. Ich habe das Gefühl, ich konnte dir nicht das geben, was du brauchtest. Sag mir, was ich falsch gemacht habe! Sag mir, wie ich es wiedergutmachen kann!«
    Martin merkte, dass der Wachmann zurück war. Er ließ ihre Hand los.
    Evie tupfte mit einem Tuch unter den Augen
herum und lächelte den Wachmann an, bis der wieder davonging. »Ich dachte, dann wachsen dir endlich mal Eier«, blaffte sie Martin an. »Ich dachte, ich bringe dich dazu, dass du tatsächlich etwas anfängst mit deinem armseligen, elenden Leben - aber, neeein, du hattest mal wieder nichts anderes zu tun als nur zu jammern. ›Huh, huuh, jemand hat mir mein Auto zerkratzt. Ich armes Schwein. Keiner liebt mich.‹ Wenn du Sandy zur Rede gestellt hättest, dann wären wir jetzt nicht hier drin.«
    »Bist du verrückt? Sandy für etwas zur Rede stellen, das du getan hast?«
    »Vielleicht hätte sie dann kapiert, dass du ihr dieses dauernde Verarschen nicht durchgehen lässt.« Sie sprach noch leiser. »Du verstehst das einfach nicht, Martin.«
    Allmählich gingen ihm ihre Angriffe auf die Nerven. »Was verstehe ich nicht?«
    »Ist dir denn nie in den Sinn gekommen, dass ich dir einen Gefallen tat, indem ich sie umbrachte? Es war nicht einfach, sie zu einem Treffen mit mir zu bewegen. Ich musste ihr vorlügen, dass ich in deiner Sockenschublade illegale Drogen gefunden hätte.«
    »Illegale Drogen?«
    Evie zuckte die Achseln. »Sie hatte ein
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