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Unverkäuflich!

Unverkäuflich!

Titel: Unverkäuflich!
Autoren: Bobby Dekeyser
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einem Arzt in Worms. Er ließ mich röntgen und besah mit sorgenvollem Gesichtsausdruck die Aufnahme.
    »Sehen Sie hier«, sagte er zu meiner Mutter und tippte mit dem Kugelschreiber auf den Leuchtkasten, »dieser helle Fleck gefällt mir gar nicht. Das sieht mir nach einer bösartigen Geschwulst aus.«
    Eine Pause, Stille, der Arzt räusperte sich kurz, dann erklärte er: »Wir müssen so schnell wie möglich eine Gewebeprobe entnehmen.« Sollte sich der Verdacht bestätigen, müsse man, fügte er an, das Bein amputieren. Ich begann zu weinen, rannte hinaus, wie unter Schock, kam dann aber zurück, um dem Arzt meine Socken in den Briefkasten zu stopfen, als Zeichen meines Protestes. Ich konnte doch mein Bein nicht verlieren! Ein Operationstermin in einer Klinik von Heidelberg wurde festgelegt, schon in der kommenden Woche, doch ich weigerte mich, ich sperrte mich in meinem Zimmer ein, ich flehte meine Mutter an, einen anderen Arzt zu konsultieren. Sie verfolgte zum Glück denselben Gedanken, eine solch schwerwiegende Entscheidung nicht einem Doktor alleine zu überlassen. Sie setzte mich in einen Zug nach Belgien, nach Löwen, wo ich mit meinem Vater einen Spezialisten aufsuchte. Er besah das Röntgenbild, dann sagte er: »Junge, das ist ungewöhnlich für dein Alter. Was hast du gemacht? Das ist ein Ermüdungsbruch.«
    Ich hätte ihn küssen können, als er den Gips anlegte, ich fühlte mich selten so erleichtert, so froh, als habe man mir gerade ein neues Leben geschenkt. In diesem Krankenhaus war ich geboren worden, und an diesem Tag fühlte ich mich wie neugeboren. »In neun Wochen ist alles wieder in Ordnung, aber halte das Bein still und schone dich«, gab mir der belgische Mediziner mit auf den Weg. Ich nickte.
    Nach nicht ganz sechs Wochen schnitt ich den Gips auf. Es gab Besseres zu tun. Ich musste den Rückstand im Trainingsplan aufholen.
    —
    Meine ältere Schwester brachte mir eine Postkarte aus dem Supermarkt mit. Ein Brausehersteller suchte Jugendliche für ein Fußballcamp in New York, mit Weltstars wie Pelé und Beckenbauer. Ich meldete mich an, ging zum Probetraining und zu einem Testspiel und schien Eindruck hinterlassen zu haben: Aus tausenden Bewerbern wählte mich eine Expertenjury für die Endrunde in Frankfurt aus. Ich stand zwischen den Pfosten und strengte mich an wie noch nie. Es funktionierte: Ich gehörte zur Elf, die Erich Ribbeck, der spätere Bundestrainer, auswählte, um nach Amerika zu reisen. Zur Mannschaft gehörte ein anderer Junge, der später als Stürmerstar und Trainer in der Bundesliga für Furore sorgen sollte, ein Dribbler namens Bruno Labbadia. Der lange Flug, mein erster überhaupt, New York City, die Fahrt durch die Straßenschluchten, ich konnte es kaum glauben. Ich saß beim Mittagessen neben Pelé, dem Pelé, meinem Idol. Auch im Nachhinein erscheinen mir die Tage als beinahe surreal; ich erinnere ein Spiel im Stadion von New York Cosmos, und ich weiß, dass ich den Pokal für den besten Nachwuchstorwart gewann. »Du hast Talent«, sagte Pelé, als er mir dieses Ding überreichte. Wir waren in einer Art Schulaula in einem Außenbezirk untergebracht, einige Dutzend Kinder und Jugendliche aus der ganzen Welt. Die Abende waren gemütlich, Pelé spielte für uns Gitarre, er kann das wirklich gut. Er saß neben mir auf der Bank, als ich meinen Mut zusammennahm und ihn ansprach.

    Gedankliche Inspiration kommt von Pelé, die Frisur von Sepp Maier.
    »Darf ich was fragen?«, erkundigte ich mich mit meinem schlechten Schulenglisch. »Wie wird man der beste Fußballer der Welt?«
    Er sah mich an, lächelte und sagte diesen Satz, den ich nie vergessen habe: »Folge einfach deinem Traum, dann kann alles passieren.«
    Dass ich seinen Rat bald darauf beherzigen sollte, im Alter von fünfzehn Jahren, werden andere Mitglieder der Familie und diverse Lehrer nicht vergessen. Zurück in Deutschland fühlte ich mich wie ein kleiner Star: New York, Pelé, der Pokal  – die Lokalzeitung schrieb einen Artikel, und schon bald stand ich im Tor der Jugend des VfR Wormatia Worms, ein Traditionsklub, der damals gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegen war. Für mich war nun klar, was ich wollte: Bundesligatorwart werden, wie mein Held Sepp Maier von Bayern München. Zu seinen Ehren ließ ich mir Locken in mein glattes Haar drehen. Mit meinem Frisurenfiasko schwänzte ich die Schule und reiste mit dem Zug nach München. Als Schwarzfahrer, denn die Fahrkarte konnte ich mir nicht leisten,
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