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Unverkäuflich!

Unverkäuflich!

Titel: Unverkäuflich!
Autoren: Bobby Dekeyser
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erschien uns verrückt genug. Nur keine Schwäche zeigen. Wir fühlten uns frei in unserem Abenteuerland, wir klauten Verkehrsschilder und einmal sogar eine Ampel, die ich zu einer Lichtorgel umbaute und in mein Zimmer stellte. Wir waren eine Bande, heute würde man sagen: eine Gang. Wir waren aber niemals brutal gegen andere. Wir tranken nicht, wir rauchten nicht. Dass ich manchmal direkt von einer Nacht auf einer Baustelle in die Schule ging, fiel meiner Mutter nicht auf. Meine Eltern hatten sich getrennt, als ich drei Jahre alt war; mein Vater, ein Unternehmer, der Fertighäuser verkaufte, lebte in Belgien, meine Mutter, die meinem Großvater half, Plastikhenkel für Waschmittelkartons herzustellen und zu vertreiben, hatte wenig Zeit für meine Geschwister und mich.
    Meine Kindheit roch süßlich nach Polyethylen. Meine Familie lebte in einer provisorischen Wohnung über Opas Fabrik. Es war ein Schlauch, ein sehr einfach gehaltener Schlauch, verziert mit falschen Balken aus Styropor und einer Wandverkleidung in Eiche rustikal, ein Sonderangebot aus dem Großmarkt. Mein Bad: eine Plastikkiste in einem verschimmelten Raum. Am Ende des Wohnschlauchs befanden sich Sozialwohnungen, in denen türkische Familien lebten. Zog eine dieser Familien aus, brachen wir die Wand durch, um mehr Platz zu schaffen. Meine Mutter reiste viel, und sie wusste, dass zumindest immer jemand in unserer Nähe war, eine Sekretärin oder ein Arbeiter aus der Produktion, die rund um die Uhr lief. Meine drei Schwestern und ich waren versorgt. Wir sind eine Familie von Vagabunden. Mein Onkel Seppi und meine Tante Resi zogen mit ein. Wenn ich mein Taschengeld aufbessern wollte, stapelte ich Becher für Waschmittelpackungen und klebte Kartons zu. In meinem Zimmer stand ein Bett in Form einer Fischerkoje auf einem orangefarbenen Teppich, die Fototapete zeigte die Skyline von New York, es gab die frisierte Ampel und einige andere Trophäen von der Baustelle. Regeln? Vorschriften machte ich mir selbst. Nach bürgerlichen Maßstäben verbrachten wir eine chaotische, eine verrückte Kindheit, aber ich möchte diese Zeit nicht schlechtmachen. Sie hat mich auf eine positive Art geprägt: Ich lernte früh, mit einem Übermaß an Freiheit umzugehen. Ich lernte, mir die eigenen Leitplanken zu setzen. Meine Mutter gab mir kein Zuhause in einem Sinne, wie ich es mir als Kind oft wünschte. Aber meine Eltern prägten eine Einstellung, die mich immer begleitete: Alles ist möglich. Die Welt steht den Mutigen offen. Also, worauf wartest du noch? Leg los!
    —

    Zwölf Jahre alt und drei Dinge im Kopf: Fußball, Fußball und Fußball.

    Schlechte Zeugnisse? Schlamm drüber!
    Inmitten unseres oftmals chaotischen, aber auch liebevollen Alltags war mein Zimmer stets penibel aufgeräumt. Mit Sport, mit Körperlichkeit, besonders mit Fußball disziplinierte ich mich. Ich wollte ein Spießer sein, ich wollte wie ein Spießer leben, mit Jägerzaunidylle und einem bis auf die Minute getakteten Alltag. Ich träumte von einem geordneten Zuhause, von einer Umgebung, die ich von anderen Kindern in der Schule kannte: von einem Haus, von vielen Kindern, einem Hund, gemeinsamen Mahlzeiten. Ich fühlte mich, wenn ich nicht mit meiner Bande unterwegs war, einsam und missverstanden. Meine Schulnoten waren schlecht, denn ich machte nie Hausaufgaben, schwänzte oft den Unterricht und nahm, wenn ich anwesend war, nur selten geistig daran teil. Wenn ich nach vorne an die Tafel musste, ging ein Raunen durchs Klassenzimmer. Was zur Folge hatte, dass ich die Rolle des Verweigerers annahm, zum eigenen Schutz, weil sie einem das Gefühl gibt, nicht mehr angreifbar zu sein. Diese Rolle ist gefährlich: Wenn man gar nicht mehr versteht, worum es sich im Unterricht eigentlich dreht, dann verliert man den Anschluss. Für Kinder wie mich war die Schule eine tägliche Bestrafung, und heute, als dreifacher Vater, denke ich, dass das Lehrsystem nicht richtig ist: Anstatt die Stärken der Kinder zu fördern, versucht man, die Schwächen zu beseitigen. Das System versucht, alle gleich zu halten, anstatt die Individualität des Einzelnen herauszuheben. Warum müssen alle hervorragende Mathematiker sein, oder Physiker? Warum genügt es nicht, die Grundkenntnisse zu vermitteln und ansonsten die Stärken eines Jugendlichen herauszuarbeiten? Warum leitet man die Kinder nicht an, sich zwei Stunden täglich zu bewegen, um sich auszutoben? Warum legt man den Schwerpunkt nicht auf Sprachen, mit denen sie sich
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