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Unverkäuflich!

Unverkäuflich!

Titel: Unverkäuflich!
Autoren: Bobby Dekeyser
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nichts unmöglich ist, wenn man daran glaubt. Ein Hubschrauber ist auf dem Weg. Wir weinen, wir warten auf den neuen Tag, wir wandern hin und her. Der Hubschrauber landet, doch ich bekomme das alles nicht wirklich mit. Wir heben ab, fliegen nach Cebu, steigen in die Maschine nach Hongkong. Alles erlebe ich wie in Trance. Landung in Hongkong, ich schalte das Blackberry ein, voller Angst, Erwartung, Hoffnung, alles mischt sich durcheinander. Keine Nachrichten sind gute Nachrichten. »Wir schaffen das«, sage ich. »Sie wird wieder gesund.«
    Acht Stunden bis zum Weiterflug nach Europa. Acht Stunden, das ist zu lange, um es im Gebäude auszuhalten. Wir müssen aus dem Flughafen raus, an die Luft, wir wollen laufen, uns bewegen. Wir nehmen den Expresszug von der Flughafeninsel hinüber aufs Festland. Das Mobiltelefon klingelt wieder, es ist mein Schwager Jan, der mit meiner Schwester im Krankenhaus ist. In dieser Sekunde hält der Zug.
    »Sie ist tot.«
    Was in einem solchen Moment in einem Menschen vorgeht, lässt sich nur schwer beschreiben. Es ist wie ein Horrorfilm, den man anhalten möchte, den man ausschalten will, doch man findet den Schalter nicht. Es ist ein Schmerz wie ein Stich, ein Gefühl, als ob man in Stücke gerissen und gleichzeitig betäubt wird, und es ist der schlimmste denkbare Albtraum, der nun Wirklichkeit geworden ist.
    Ann-Kathrin und ich, wir haben drei Kinder  – Carolin, Yannick, Marie  – und leben die glücklichste Ehe, die man sich vorstellen kann. Wir gehen gemeinsam durch den Sturm, wir stehen auf einem Gipfel, wir haben alles miteinander erlebt, Siege, Niederlagen, wir sind bedingungslos füreinander da. Ann-Kathrin ist meine Partnerin, meine Geliebte, meine beste Freundin, meine Vertraute, mein Anker, meine Heimat, sie ist meine Kraft und meine Seele. Sie ist die Liebe meines Lebens. Sie ist tot, sagt mir mein Verstand, doch mein Herz begreift das nicht. Ich weiß nicht, wie wir von der Bank in der Bahnstation an Bord des Flugzeugs kommen, alles ist nur noch ein Schleier aus Tränen und Schmerz. Ich kann nicht schlafen, nicht essen, nicht trinken, ich kann nicht mehr klar denken und fürchte, wahnsinnig zu werden. Carolin und ich, wir klammern uns aneinander wie Ertrinkende.
    Landung in Hamburg, unsere Familie holt uns am Flughafen ab. Yannick, mein Sohn, achtzehn Jahre alt, ist aus New York nach Hause gekommen, Marie, die Jüngste, ist dabei, meine Schwester Sonja, mein Schwager Sven, Onkel Seppi und Tante Resi und die engsten Freunde. Wir fahren ins Universitätsklinikum Eppendorf, betreten den Totenraum. Ann-Kathrin liegt auf dem Bett, sie ist so schön wie immer. Ich halte ihre Hand, küsse ihr Gesicht, rede mit ihr.
    Ich fliehe mit den Kindern an die Nordsee. Trauer und Schweigen und ein Gefühl, dass etwas geschehen ist, das nicht sein darf. Was mich berührt, ist der Zusammenhalt unserer Großfamilie, besonders meiner Kinder, sind die Freunde. Was bleibt, ist Freundschaft, Vertrauen, es ist unglaublich, was wir an Wärme und Anteilnahme erfahren. Die Trauerfeier in der Hamburger St.-Johannis-Kirche, die Stunde, in der wir im engsten Familienkreis einen Teil ihrer Asche auf Ibiza im Meer verstreuen, die Wochen danach, in denen man immer wieder in das leere Haus kommt, nachts aufwacht, in der Hoffnung, nur schlecht geträumt zu haben. An meinem Geburtstag, wenige Tage nach der Trauerfeier, ruft mich niemand an, und das ist gut. Ich sehe mir Fotos an, blättere in Alben, schaue Videos. Ich weine oft. Die Zeit fliegt vorbei und fühlt sich doch so zäh an, so dunkel und so leer. Wie oft sehe ich zur Tür, horche auf, wenn das Telefon klingelt, mit dem Gedanken, sie könnte wieder zurück sein.
    —
    Dieses Buch sollte meine Geschichte erzählen, eine Geschichte voller Optimismus, von Glaube und Mut. Meine Geschichte verlief seltsam und an manchen Stellen auch verrückt, sie zeigt einen Weg, der nach den Regeln, wie sie mancher nach Schulnoten und Wirtschaftsregeln definiert, eigentlich nicht möglich sein dürfte. Wäre es nach meinen Lehrern gegangen, nach vielen Wirtschaftsprüfern oder all diesen Mahnern und Nörglern, die sich hinter ihrer Angst und ihren klugen Ratschlägen verschanzen, hätte es meine Geschichte niemals geben dürfen. Ich wollte davon erzählen, dass alles, dass jedes Ziel erreichbar sein kann, wenn man dafür kämpft und kreativ ist auf dem Weg. Nun, nach Ann-Kathrins Tod, muss diese Geschichte anders erzählt werden, denn der Blickwinkel hat sich
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