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Unverkäuflich!

Unverkäuflich!

Titel: Unverkäuflich!
Autoren: Bobby Dekeyser
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Mit auf der Palme ist der neue Freund und Geschäftspartner,
     der Schweizer Unternehmer und Kinderarzt Daniel Borer.
    Auf dem Strand unseres Ferienresorts stand ich, als mich die Nachricht erreichte, dass Ann-Kathrin ins Koma gefallen war. Eine tragische Ironie, an einem Stück vom Paradies zu arbeiten, wenn man mit der eigenen Hölle konfrontiert wird.
    —
    Für mich gibt es ein Leben vor dem 29. September 2010 und ein Leben danach. Die ersten Wochen nach Ann-Kathrins Tod sind für mich ein Schleier aus Schmerz, eine Betäubung, absolute Hilflosigkeit. Wer einen Menschen verliert, den er so sehr liebt, der weiß, dass es keinen Trost gibt. Es gibt nur Verzweiflung, Dunkelheit, Schmerz, den ich auch physisch spürte, weil sich mein Körper immer weiter verkrampfte. Ich schlief nur sporadisch, konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Meine Familie stand zusammen, wir gaben uns Kraft, aber es ist doch so, dass jeder mit sich allein ist. Meine Kinder hatten eine sehr enge Bindung zu ihrer Mutter; Marie, unsere Jüngste, traf ihr Tod in einer Lebensphase, in der sie sich selber finden musste. Worte können nur beschreiben, wie sich der Verlust anfühlt. An manchen Tagen dachte ich: Ich drehe jetzt durch. Ohne meine wunderbaren Kindern, die für mich das Wichtigste sind, ohne das tief verankerte Gefühl, funktionieren zu müssen, irgendwie weitermachen zu müssen, wäre ich vielleicht nicht mehr hier. Ich trauere jeden Tag, es wird nicht besser, sondern oft denke ich, dass der Schmerz weiter zunimmt, sofern das noch möglich ist. Nachts bin ich durch die Straßen Hamburgs bis an ihr Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof spaziert. Ich habe ihr erzählt, was los ist, wie es den Kindern geht. Habe dagesessen und geweint, stundenlang, bis die Sonne wieder aufging. Für mich, der das Leben bejaht, war es sehr schwierig, an einigen Morgen keinen Grund mehr zu sehen, weiterzumachen. Ann-Kathrin hatte eine besondere Ausstrahlung, eine Güte, ein Lächeln. Ich versuche bis heute, den Schmerz in Dankbarkeit umzuwandeln, sie geliebt zu haben. Ich lernte, dass der Tod nicht das Ende sein muss, sondern ein Anfang sein kann. Ich spüre es, und ich weiß, dass wir wieder zusammenkommen werden. Aber heute müssen wir das Geschenk, das wir Leben nennen, dankbar annehmen.
    In der Phase der tiefsten Trauer zog ich mich mit der Familie zurück, wir kapselten uns ab. Wie immer, wenn es mir schlecht geht, suchte ich die Natur. Mit Marie wohnte ich eine Woche lang in einem Baumhaus in Südafrika; wir reisten nach Salzburg, nach Ibiza, nach Genf, wir suchten die Orte, an denen wir gemeinsam waren, als konnten wir ihr auf diese Weise nahe sein. Wir verschanzten uns wochenlang in unserem Haus auf Ibiza. Die Anteilnahme unserer Freunde war groß, doch wir mussten als Familie allein sein. Man kann vor dem Schmerz nicht davonlaufen, man muss sich ihm stellen, er holt einen sowieso ein. Ich fragte mich: Hatte ich alles richtig gemacht? Wie hatten wir gelebt? Es war eine Erleichterung, zum Schluss zu kommen, dass wir auf unserem Wellenritt so viele schöne Zeiten verbracht, dass wir ausgiebig gelebt hatten, ohne etwas zu bereuen oder zu missen. Wieder half mir der Sport, mich zu disziplinieren, Ordnung in mein Sein zu bringen. Ich las Bücher über Trauerarbeit. Wir besuchten Psychologen, die sich um die Kinder kümmerten. Trost gibt es nicht. Manche stürzen sich in die Arbeit, um ihre Trauer zu verdrängen, aber das beherrsche ich nicht. Es war gut, zu sehen, dass die Firma ohne mich funktionierte, auch in dieser Phase des Neuaufbruchs, die angesichts der finanziellen Risiken kritisch war. Ich musste funktionieren, mich mit lästigen Themen wie Erbschaftssteuer auseinandersetzen (einer der ersten Briefe, die nach ihrem Tod eintrafen, kam vom Finanzamt), Berge von Papierkram erledigen, ich beschloss, das Haus in Hamburg zu verkaufen. Ich freute mich über die Anteilnahme unserer Freunde, über den Halt, den sie boten. Ich lernte aber auch wieder etwas über Niedertracht: Wenige Tage nach dem Tod von Ann-Kathrin, an meinem Geburtstag, verklagte mich die Importeurin in einem für uns wichtigen Markt, in dem wir neu starteten, auf Schadensersatz. Sie behauptete, ich hätte ihr vor vielen Jahren das exklusive Importmandat übertragen, und forderte einen zweistelligen Millionenbetrag als Entschädigung. Offenbar rechnete sie damit, dass ich durch den Schicksalsschlag nicht in der Lage sein würde, den Prozess vor einem Gericht durchzustehen. Sie irrte sich.
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