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Untot mit Biss

Untot mit Biss

Titel: Untot mit Biss
Autoren: Karen Chance
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Weise stimmte, die ihn erstaunt hätte. Er vermutete, dass ich später Vernunft angenommen und beschlossen hatte, als Kronzeuge aufzutreten. Wie er die Tatsache erklärte, dass eine zwanzigjährige Waise all die inneren Vorgänge eines wichtigen Syndikats kannte, würde mir immer ein Rätsel bleiben. Glauben an den »Hexerei-Unfug«, wie er es nannte, spielte dabei gewiss keine Rolle. Jerry glaubte nicht ans Übernatürliche, gleich welcher Art. Da ich nicht wollte, dass er mich irgendwo in eine Gummizelle sperrte, ließ ich meine Visionen unerwähnt und wies auch nicht daraufhin, wie nahe er mit seiner Bemerkung über Geister und Ghule der Wahrheit gekommen war.
    Ich war immer eine Art Magnet für Geister gewesen. Viel leicht lag es an der Sache mit der Hellseherei; ich wusste es nicht. Tony wählte die Dinge, mit denen ich mich befassen konnte, immer sorgfältig aus – er fürchtete, dass ich einige meiner Fähigkeiten gegen ihn verwenden könnte, wenn ich zu viel wusste –, und deshalb kannte ich mich mit meinen Talenten nicht sehr gut aus. Es war durchaus möglich, dass sich meine Attraktivität für die Geisterwelt darauf zurückführen ließ, dass ich ihre Bewohner sehen konnte: Für einen Geist musste es enttäuschend sein, bei Leuten zu spuken, die gar nichts von ihm wussten. Womit ich nicht sagen will, dass sie bei mir spukten. Aber sie gaben gern ein wenig an, wenn ich in der Nähe war. Manchmal war das gar nicht so übel, wie zum Beispiel bei der alten Frau, der ich als jugendliche Ausreißerin in einer Gasse begegnete. Ich neigte dazu, Geister so zu sehen, als hätten sie feste Gestalt, insbesondere wenn sie neu und stark waren, und deshalb hatte es eine Weile gedauert, bis ich sie als das erkannte, was sie war. Sie fungierte als eine Art Schutzengel für ihren Enkel, den sie mit großgezogen hatte. Sie starb, als er zehn war, und der Freund ihrer Tochter begann sofort damit, ihn zu schlagen, als sie zusammenzogen. Kaum einen Monat später lief der Junge weg. Die Alte sagte mir, dass sie nicht ein Jahrzehnt damit verbracht hatte, über ihn zu wachen, um ihn jetzt im Stich zu lassen, und Gott hätte sicher nichts dagegen, ein wenig auf sie zu warten. Auf ihre Bitte hin gab ich dem Jungen genug Geld für eine Busfahrt nach San Diego, wo seine Schwester lebte. Natürlich sprach ich mit Jerry nicht über so etwas. Er glaubte nicht an Dinge, die er nicht sehen, berühren oder erschießen konnte, was die Gesprächsthemen ein wenig einschränkte. Natürlich glaubte er auch nicht an Vampire, bis er es eines Nachts mit einigen von Tonys Typen zu tun bekam – sie zerfetzten ihm die Kehle.
    Ich wusste, was geschehen würde, denn ich
sah
seine letzten Sekunden, als ich ins Bad ging. Wie üblich bekam ich ein deutliches Bild in allen Farben, ein persönliches Aus-nächster-Nähe-Ticket für das blutige Schauspiel, wodurch ich riskierte, auf dem glatten Boden des Badezimmers auszurutschen und mir den Hals zu brechen. Als mein Zittern so weit nachgelassen hatte, dass ich telefonieren konnte, wählte ich die für Notfälle bestimmte Nummer des Zeugenschutzprogramms. Doch die Beamtin wurde misstrauisch, als ich nicht sagen wollte, woher ich wusste, was geschehen würde. Sie versprach, Jerry zu benachrichtigen, war aber nicht sehr begeistert davon, ihn am Wochenende zu stören. Also rief ich Tonys Oberhalunken an, einen Vampir namens Alphonse, und erinnerte ihn daran, dass er herausfinden sollte, wo Vater Staat mich versteckt hatte – anstatt zu riskieren, den Vampir-Senat zu verärgern, indem er Menschen tötete, die gar nichts wussten. Jerry nützte ihnen nichts, denn seine Informationen würden in Kürze überholt sein.
    Ich war nie sehr erfolgreich gewesen, wenn es darum ging, das Ergebnis meiner Visionen zu ändern, aber ich hoffte, dass die Erwähnung des Senats genügte, um Alphonse nachdenklich zu machen. Der Senat war eine Gruppe von sehr alten Vampiren, die Gesetze beschlossen, an die sich die weniger mächtigen Vampire halten mussten. Von Menschen hielten sie nicht mehr als Tony, aber sie legten Wert auf die Freiheit, nur ein Mythos zu sein, und sie vermieden es, die Aufmerksamkeit der Sterblichen zu wecken. Dazu gehörte die Ermordung von FBI-Beamten, die für erhebliche Unruhe gesorgt hätte. Aber Alphonse kam mir nur mit den üblichen Ausflüchten und versuchte, mich hinzuhalten, während seine Leute den Anruf verfolgten. Letztendlich konnte ich nur dafür sorgen, dass ich in einem Bus auf dem Weg aus der
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