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Untot mit Biss

Untot mit Biss

Titel: Untot mit Biss
Autoren: Karen Chance
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Georgia-Abende, an denen sich die Luft wie eine schwere Decke auf der Haut anfühlte und die Luftfeuchtigkeit gegen hundert Prozent tendierte. Vager Dunst zeigte sich im Glühen der Straßenlaternen, doch der größte Teil des Lichts stammte vom Mond, dessen Schein sich auf den regennassen Straßen widerspiegelte und Pfützen in Silber verwandelte. Die Dunkelheit hatte den Gebäuden in der Innenstadt die Farben genommen und ihnen ein weiches Grau gegeben, das mit den Schatten verschmolz und die Spitzen der Wolkenkratzer verbarg. An diesem Abend wirkte die Altstadt wie ein Stück lebendige Vergangenheit, insbesondere als ich am Margaret Mitchell House in der West Peachtree vorbeikam. Es erschien mir völlig normal, als eine jener von Pferden gezogenen Kutschen um die Ecke kam, die Touristen durch die Stadt fuhren. Doch diesmal liefen die Pferde im vollen Galopp, und fast wäre ich unter die Räder der Kutsche geraten.
    Mir blieb eine Sekunde, um die Gesichter der verängstigten Touristen zu sehen, die sich auf dem Rücksitz festklammerten. Dann donnerte die Kutschte am Bürgersteig vorbei, schlingerte über die Straße und geriet außer Sicht. Ich stemmte mich aus dem Rinnstein hoch und sah mich misstrauisch um. Fröhliches Gelächter hinter mir erklärte, warum das dicke alte Pferd versuchte hatte, einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Eine Dunstschwade strich vorbei, kaum vom Nieselregen zu unterscheiden. Ich griff danach, metaphysisch gesprochen. »Portia! Das war nicht lustig!«
    Das Lachen erklang erneut, und vor mir erschien eine Südstaatenschönheit mit schwingendem Reifrock. »Oh, das war es doch. Hast du ihre Gesichter gesehen?« Heiterkeit funkelte in Augen, die einst blauer als meine gewesen waren. An diesem Abend hatten sie die Farbe der über den Himmel wogenden Wolken.
    Ich kramte in meiner Handtasche und nahm ein Papiertaschentuch, um damit die Stiefel abzuwischen. »Ich dachte, du wolltest das nicht mehr tun. Mit wem willst du spielen, wenn du die Touristen verschreckst?« Es gab nicht viele Firmen, die glaubten, dass die Altstadt von Atlanta wie in Savannah oder Charleston groß genug war, um den Aufwand von Pferdekutschen zu rechtfertigen. Wenn Portia ihre Spielchen fortsetzte, war der Rest des südlichen Charmes, der die Zersiedelung überstanden hatte, dem Untergang geweiht. Dann beschränkten sich die historischen Traditionen Atlantas auf so altehrwürdige Einrichtungen wie die Welt von Coca-Cola, die CNN-Zentrale und das unterirdische Einkaufszentrum.
    Portia zog einen so hübschen Schmollmund, dass ich vermutete, sie hatte ihn zu ihren Lebzeiten vor dem Spiegel geübt. »Du hast keinen Sinn für Spaß, Cassie.«
    Ich warf ihr einen unglücklichen Blick zu, während ich versuchte, den Schlamm vom Leder der Stiefel zu wischen. Das Ergebnis meiner Bemühungen bestand darin, dass ich ihn gleichmäßiger verteilte. »Man kann viel Spaß mit mir haben, aber nicht heute Abend.« Aus dem Nieseln wurde richtiger Regen, und die Tropfen fielen durch Portia auf die Straße. Ich hasste das. Es sah aus wie ein zu körniges Fernsehbild. »Du hast nicht zufällig Billy Joe gesehen, oder?«
    Ich nannte Billy Joe meinen Schutzengel, aber das stimmte nicht ganz. Er war mehr ein Nerver, der sich gelegentlich als nützlich erwies, doch zu diesem besonderen Zeitpunkt war ich nicht wählerisch. Billy war das, was von einem irisch-amerikanischen Spieler übrig geblieben war, der im Jahr 1858 eine Pokerrunde zu viel gewann. Mehrere aufgebrachte Cowboys hielten ihn zu Recht für einen Falschspieler, steckten ihn in einen Sack und warfen ihn in den Mississippi. Glücklicherweise hatte er kurz zuvor eine Gräfin um eine große, hässliche Halskette erleichtert, die eine Art übernatürliche Batterie darstellte: Sie nahm magische Energie aus der gewöhnlichen Welt auf und speicherte sie, bis sie gebraucht wurde. Als Billy Joes Geist den Körper verließ, fand er in der Kette ein neues Zuhause – er spukte so in ihr wie andere Geister an konventionelleren Orten wie zum Beispiel Krypten und Grüften. Sie verlieh ihm genug Kraft, um weiterzuexistieren, doch es waren meine gelegentlichen Spenden lebendiger Energie, die ihm Mobilität gaben. Ich hatte die Halskette mit siebzehn Jahren in einem Trödelladen gefunden, und seitdem bildeten Billy und ich ein Team. Natürlich konnte er für mich keine Nachricht zum Club bringen, wodurch es mir erspart geblieben wäre, ihn persönlich aufzusuchen. Aber er konnte Ausschau
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