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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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er sich auf die Tischkante stützen mußte. »Geben Sie ihm den Mantel«, sagte er mit schleppender Stimme. »Und dann trinkt weiter. Der Junge ist diese Aufregung nicht wert.«
    Der stämmige Harpunier ignorierte Arflanes Worte, grinste weiter den jungen Aristokraten an und wedelte den Mantel hin und her. Arflane riß ihm den Mantel weg. Der Harpunier holte mit der freien Hand aus und schlug Arflane mitten ins Gesicht. Brenn stand auf und schrie seinen Mann an, doch der hörte nicht und bückte sich, um den Mantel aufzuheben. Manfred Rorsefne, offenbar durch Arflanes Aktion ermutigt, bückte sich ebenfalls. Da schlug der rotköpfige Walfänger auf ihn ein. Rorsefne stolperte zunächst und schlug dann zurück.
    Arflane war durch den Hieb ein wenig nüchterner geworden. Er packte den Harpunier bei der Schulter, riß ihn herum und versetzte ihm einen Kinnhaken. Jetzt kam Brenn hinter dem Tisch hervor, schrie zusammenhanglose Befehle und versuchte, den Kampf abzubrechen.
    Die friesgaltischen Walfänger schrien jetzt ärgerlich und traten zurück, um dem mit dem rotköpfigen Walfänger ringenden Manfred Rorsefne Platz zu machen.
    Arflane sah, wie Brenn einen Schlag auf den Kopf bekam und stürzte. Er versuchte ihn zu erreichen. Alle Gäste der Herberge schienen plötzlich gegen ihn zu sein. Er schlug in alle Richtungen, aber die Leute waren nun einmal in der Mehrzahl. Während er, noch immer kämpfend, stürzte, spürte er einen kalten Luftzug und fragte sich, wer eingetreten war.
    Dann hörte er eine Stimme, so laut wie der tosende Nordsturm. Sofort zogen sich die Hände von ihm zurück. Er richtete sich auf und wischte das Blut aus seinen Augen. Seine Ohren klingelten, als die Stimme noch einmal losdröhnte. »Fische, ihr verfluchten Narren! Fische, sag’ ich euch! Fische, ihr Hundefänger! Fische, ihr Biersäufer! Eine ganze Walherde – hundert oder mehr – keine fünfzig Meilen SüdSüdwest!«
    Arflane blinzelte das Blut weg, das ihm aus einer Stirnwunde rieselte. Der laute Schreier war niemand anders als Long Lance Urquart, mit dem Brenn und er schon früher zusammengetroffen waren.
    Urquart hatte einen Arm um seine lange Harpune und den anderen um die Schultern eines Jünglings gelegt, der einen aufgeregten Eindruck machte. Er trug die Kleidung der Walfänger und war wahrscheinlich ein Kombüsenjunge.
    »Erzähle es ihnen, Stefan«, sagte Urquart, nunmehr mit leiserer Stimme.
    Der Junge stotterte vor Aufregung und deutete durch die offene Tür in die Nacht hinaus. »Unser Schiff segelte gegen Abend an der Herde vorbei. Wir waren beladen und konnten nicht anhalten, weil wir noch vor Anbruch der Nacht Friesgalt erreichen wollten. Aber wir haben sie gesehen. Sie bewegten sich von Norden nach Süden, ungefähr zwanzig Grad West. Eine gewaltige Herde. Mein Vater – unser Kapitän – sagte, so etwas gab es in zwanzig Fangzeiten noch nicht!«
    Arflane bückte sich, um Brenn auf die Beine zu helfen. »Haben Sie das gehört, Brenn?«
    »Ja …« Brenn lächelte trotz seiner aufgeschlagenen Lippen. »Die Mutter des Eises meint es doch gut mit uns.«
    »Genug für alle Schiffe, die hier ankern«, fuhr Urquart fort, »und sogar noch mehr. Nach allem, was der Vater des Jungen sagte, bewegen sie sich schnell, aber bei gutem Wind holen wir sie ein.«
    Arflane sah sich nach Manfred Rorsefne um. Er sah ihn an der Wand lehnen. Rorsefne hatte ein Entermesser in der Hand, das er von der Wand gerissen hatte. Dabei lächelte er nach wie vor sein ironisches Lächeln. Auch Urquarts Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf Manfred Rorsefne. Er ließ seinen Arm von den Schultern des Jungen gleiten, ging auf Rorsefne zu und nahm ihm das Entermesser aus der Hand.
    »Danke«, sagte Rorsefne grinsend. »Es wurde langsam zu schwer.«
    »Was haben Sie hier verloren?« fragte Urquart schroff.
    Rorsefne machte eine Kopfbewegung in Arflanes Richtung. »Ich wollte Kapitän Arflane eine Nachricht überbringen, aber er wollte nicht gestört werden. Dann ging es ein wenig turbulent zu. Glücklicherweise kam mir Kapitän Arflane zur Hilfe.« Urquarts schmale, blaue Augen richteten sich auf Arflane. »Sie haben ihm geholfen, Kapitän?«
    »Nur ein Narr kann hierherkommen«, grunzte Arflane. »Wenn Sie ihn kennen, Urquart, dann bringen Sie ihn nach Hause.«
    Indessen begannen die Gäste die Herberge zu verlassen. Sie zogen die Kapuzen über den Kopf, griffen nach ihren Harpunen und eilten zu den Schiffen, weil sie wußten, daß ihre Kapitäne im ersten
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