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Unterwegs im Namen des Herrn

Unterwegs im Namen des Herrn

Titel: Unterwegs im Namen des Herrn
Autoren: Thomas Glavinic
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Flugzeug führt. Das Geräusch der Turbinen lässt nicht wie üblich meinen Puls steigen, dazu bin ich viel zu matt, ich habe das Gefühl, ich könnte im Stehen einschlafen.
    Vielleicht bilde ich es mir an, doch die Flugbegleiterinnen sehen mich sehr sonderbar an. Ich ignoriere ihre Blicke und arbeite mich zu meinem Platz vor. Ingo sitzt am Fenster, ich sitze am Gang. Er schreibt eine SMS nach der anderen.
    »Glaubst du, dass die jetzt Zeit hat, die alle zu lesen?«
    »Die gehen nicht an Tanja, die gehen an Verwandte.Mutter, Schwester, Oma, andere Schwester, da müssen alle informiert werden. Herrgott, wann startet dieses Scheiß-Flugzeug endlich?«
    Er trampelt mit den Füßen auf dem Boden herum, trommelt gegen den Vordersitz und schnaubt einen Fluch auf die Klimaanlage über ihm, die sich nicht abdrehen lässt. Ich bemerke wieder die Blicke der Flugbegleiterinnen.
    »Wenn du in diesem Flugzeug bleiben willst, solltest du jetzt Ruhe geben.«
    »Wieso Ruhe geben? Ich gebe doch Ruhe! Wo gebe ich nicht Ruhe?«
    Ich lege ihm einen Erbauungszettel auf den Schoß, er wirft ihn mir zurück.
    »Wo hast du den ganzen Ramsch her?«, ruft er.
    »Von dir! Den hast du mir untergejubelt!«
    »Ich hab dir gar nichts untergejubelt! Wieso sollte ich dir etwas unterjubeln? Noch dazu so was!«
    »Du hast sie mir in die Handtasche gesteckt. Lieber wären mir Antibiotika und Bücher gewesen. Und Ruhe jetzt, wir starten gleich! Mach dir keine Sorgen um Tanja.«
    »Ich mache mir keine Sorgen um Tanja! Ich mache mir Sorgen um mich! Ich will einfach hier weg, das ist alles!«
    Er zieht meinen Comic aus der Netzablage. Ich weiß, ich kann erst schlafen, wenn wir auf die Startbahn rollen, und nicht, solange mir ständig Mäntel über den Kopf streifen und Handtaschen ins Gesicht geschlagen werden. Und weil ich alles lesen kann außer dem furchteinflößenden Informationsblatt mit den Sicherheitstipps für den Fall einer Notlandung, kehre ich notgedrungen zu meinen geistigen Schriften zurück.
    Sogar während sie vorführt, wie man bei Druckabfalldie Sauerstoffmaske über das Gesicht ziehen sollte, beäugt mich die Flugbegleiterin misstrauisch. Oder bilde ich mir das bloß ein? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich diese Maske mit meiner schmerzenden Nase sowieso nicht über das Gesicht ziehen könnte.
     
    MIT DEM HERZEN LEBEN
    AUSWAHL VON ZITATEN VON PATER SLAVKO
    • Wir sind bereit, Jesus zu folgen, aber unter der Bedingung, dass er die Last des Erduldens von unserem Rücken nimmt. Aber das ist genau das Gegenteil von dem, was er sagt und was Maria uns lehrt. Unser Gebet müsste jedoch vor allem ein Gebet um Kraft sein, unsere Kreuze zu tragen, wie Jesus sein Kreuz getragen hat.
    • Eine geliebte Person wird nie alt, wird nie langweilig und leblos, wiederholt sich nie, auch wenn sie alles gleich tut.
    • Ein Mensch, dem nichts mehr neu ist, ist ein toter Mensch, und das Leben ist ihm schwer geworden, wenn nicht unmöglich. Es muss nichts Neues geschaffen werden. Man muss nur sein Verhältnis zu Gott, den Menschen und Sachen und dem Leben überhaupt erneuern. Mit anderen Worten: man muss das tägliche Wunder entdecken, ein Wunder, das unter uns geschieht.
     
    »Weißt du, dass dieser Pater Slavko intelligenter war als die Gospa?«, frage ich Ingo.
    »Das ist mir völlig egal. Wann geht es los?«
    »Jetzt. Zumindest steigen keine Passagiere mehr zu. Gute Nacht. Wenn du aufs Klo musst, klettere über mich drüber.«
    Ich schlafe ein, ich schlafe gut, ich schlafe, bis mich Ingo aufweckt.
    »Wir drehen seit zwanzig Minuten Schleifen«, berichtet er.
    »Sind wir schon über Wien?«
    »Nein, eben nicht.«
    »Und warum weckst du mich dann?«
    »Weil das nicht normal ist.«
    »Machst du dir Sorgen?«
    »Nein.«
    »Also was willst du dann von mir?«
    Ich ziehe mir meine Jacke über den Kopf.
    »Zwanzig Minuten Schleifen. Irgendwo im Nichts.«
    Ich stecke den Kopf noch einmal unter der Jacke hervor.
    »Ingo, bitte trink ein Bier. Lies den Comic. Nur bitte, bitte lass mich schlafen. Bitte!«
    »Das Heft habe ich längst durch. Mir ist langweilig.«
    Er springt auf und nieder und rüttelt am Vordersitz.
    »Okay, hier. Spiel ein paar Level Angry birds.«
    Ich gebe ihm mein iPhone. Ingos Vordermann, der sich gerade über die Rüttelei beschweren wollte, kräht mit einem Schweizer Akzent:
    »Das ist verboten! Ein eingeschaltetes Handy ist an Bord verboten!«
    Ich halte es in seine Richtung. »Wissen Sie, was ein Flugmodus ist?«
    »Es ist
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