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Unternehmen Hongkong

Unternehmen Hongkong

Titel: Unternehmen Hongkong
Autoren: Carter Brown
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hinausglitt.
    »Hm«, brummte Kahn. »Sehen wir
mal nach, was uns Sankt Nikolaus dagelassen hat .«
    Er bückte sich und hob eines
der braunen Päckchen auf. Mit einer hastigen Bewegung riß er das Papier
auseinander und starrte verständnislos auf den Inhalt.
    »Entweder habe ich
Wahnvorstellungen«, rief er, »oder das ist Geld .« Er
wedelte mit einem Bündel Banknoten und begann dann fieberhaft zu zählen.
»Tausend Dollar«, verkündete er. »Ich glaube wirklich, ich verliere den
Verstand .«
    »Bei mir ist’s das gleiche«,
erklärte Natalie aufgeregt.
    »Dann sind sie sicher alle
gleich«, meinte Corvo. »Eintausend anstatt einer Million? Besser als gar
nichts, doch im Augenblick bin ich mir da nicht so sicher .«
    »Man muß es Wong lassen«, stellte
Tess fest, »knickrig ist er nicht. Es ist bestimmt mehr, als wir ihm gegeben
hätten, wenn sich die Dinge umgekehrt verhalten hätten .« Sie beugte sich nieder und hob die beiden letzten Päckchen auf. Eines reichte
sie mir. »Wollen Sie Ihre tausend Dollar nicht haben, Andy ?«
    »Nein«, erwiderte ich.
    »Warum nicht?«
    »Weil soeben die Sonne der
Erkenntnis aufgegangen ist«, erklärte ich.
    Sie starrten mich verblüfft an.
    »Vielleicht ist bei der Hitze
sein Gehirnwasser verdunstet«, meinte Kahn.
    »Sagtest du Gehirn ?« Natalie lachte verächtlich. »Das soll doch wohl ein Witz
sein .«
    Ich zündete mir eine Zigarette
an und sog den Rauch tief in die Lungen.
    »Ich bin soeben zum zweitenmal wach geworden«, erklärte ich. »Wir befinden uns
in der Bias-Bucht, stimmt’s? Falls Sie es nicht wissen sollten — seit den Tagen
der Königin Viktoria ist die Bias-Bucht ein berüchtigtes Versteck von Piraten.
Nicht nur von Piraten, sondern auch von Mördern, Gangstern, Revoluzzern — von
allen, die dem Arm des Gesetzes entgehen wollen.«
    »Na und?« Natalie gähnte
gelangweilt.
    »Wong hat uns hier abgesetzt«,
fuhr ich fort, »und jeden von uns mit einem Kapital von eintausend Dollar
ausgestattet. Warum wohl?«
    »Weiter«, forderte Corvo
gespannt.
    Ich zog genußvoll an meiner
letzten Zigarette, ehe ich antwortete.
    »Weil er sichergehen will, daß
wir Hongkong niemals wiedersehen. Seine Behauptung, daß uns kein Mensch glauben
würde, klang zwar überzeugend, aber nur, wenn man dabei eine Tatsache außer
acht läßt: daß nämlich die Polizei bereits eine ganze Menge Material über die
>Brüder der Goldenen Lilie< gesammelt hat und daß sie wahrscheinlich auch
allerhand über Wong weiß, selbst wenn Beweise noch fehlen.
    Wenn wir in Hongkong auftauchen
und unsere Geschichte erzählen — gleichgültig, wie phantastisch sie klingt —,
können wir damit rechnen, daß die Polizei uns glaubt. Doch das kann Wong nicht
riskieren .«
    »Warum hat er uns dann nicht
gleich an Bord umgebracht ?« fragte Tess.
    »Carters Tod veranlaßte die
Polizei, uns alle näher unter die Lupe zu nehmen«, erklärte ich geduldig. »Wenn
wir alle fünf plötzlich spurlos verschwinden sollten, würde das einen Riesenwirbel
verursachen. Wong aber kann keineswegs sicher sein, daß nicht ein Mitglied
seiner Besatzung der Polizei reinen Wein einschenkt. Deshalb hat er uns hier abgesetzt
und jedem von uns eintausend Dollar zugesteckt. Haben Sie eine Ahnung, was
tausend Dollar für den Durchschnittschinesen bedeuten? Es ist ein Vermögen, das
er sich in seinen kühnsten Träumen nicht erhofft. Wong braucht jetzt nur noch
das Gerücht in Umlauf setzen, daß wir uns hier befinden, unbewaffnet, mit
fünftausend Dollar in unserem Besitz, und jeder Chinese in der ganzen
Bias-Bucht wird nur noch ein Ziel haben: Unsere Hälse .«
    »Aber wie kommt dieser Wong um
ein polizeiliches Verhör herum ?« fragte Corvo.
    Ich zuckte die Achseln. »Ich
kann nicht Gedanken lesen, Corvo. Aber wenn ich an Wongs Stelle wäre, würde ich
es so einrichten, daß eine Dschunke als vermißt gemeldet wird. Ich würde den
Bruder des Mannes, dem die Dschunke gehört, veranlassen, zur Polizei zu gehen
und vorzugeben, daß fünf Weiße die Dschunke seines Bruders gemietet hätten, um
die Küste hinaufzufahren. Er mache sich Sorgen um seinen Bruder. Und dann —
immer noch angenommen, ich steckte in Wongs Haut — würde ich es so einrichten,
daß jemand hier die Leichen entdeckt und seinen Fund der Polizei meldet.
Vielleicht würde ich sogar in der Nähe eine verlassene Dschunke auf dem Wasser
treiben lassen, die der Polizei auffallen muß. Dann würde die Polizei annehmen,
daß wir entweder Havarie hatten oder daß
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