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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Autoren: Nele Neuhaus
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griff zum Telefonhörer. St. John verstand den Wink. Er deutete eine Verbeugung an und verließ Levys Büro. Dieser wartete, bis St. John die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann durchquerte er sein Büro und öffnete einen Schrank, in dem sich eine voll eingerichtete Bar befand. Er schenkte sich einen Scotch ein – pur, ohne Eis – und trat wieder ans Fenster. Durch die Verpflichtung von Alex Sontheim könnte sich für ihn persönlich ein Traum erfüllen. Und dafür würde er weder Kosten noch Mühen scheuen.

Teil Eins

Juli 1998 – New York City
    Alex Sontheim hatte den Wechsel von Morgan Stanley zu Levy Manhattan Investment noch keinen Tag bereut und sie wusste, dass auch Vincent Levy das Angebot, das er ihr im Februar gemacht hatte, ebenfalls noch nicht bereut hatte. Mit einem Fixum von zwei Millionen Dollar jährlich plus Bonus und Provisionen gehörte Alex zu den bestbezahlten Investmentbankern der Stadt, aber sie hatte mit bereits drei Aufsehen erregenden Deals die Zweifler im Vorstand von LMI zum Schweigen gebracht. Abgesehen vom finanziellen Gewinn war es vor allen Dingen die schlagartig gestiegene Reputation auf dem hart umkämpften Markt der Unternehmensfusionen, die Levy in einen wahren Begeisterungstaumel versetzt hatte. General Engines und auch United Brake Systems waren Blue Chips, und LMI hatte sie durch Alex erfolgreich vertreten. Im Journal wurde LMI als ernst zu nehmende Konkurrenz für Merrill Lynch, Goldman, Sachs und Morgan Stanley auf dem Gebiet der M & A bezeichnet, und das war einzig und allein Alex’ Verdienst. Sie hatte das richtige Gespür für den Markt, sie besaß den Scharfblick, die Kaltblütigkeit und die Erfahrung sowie die nötigen Verbindungen, um in diesem Geschäft an der Spitze des Feldes zu bestehen. Von ihrem Glasbüro im 14. Stock des LMI-Building hatte Alex einen phantastischen Ausblick über die Wolkenkratzer von Midtown Manhattan bis zum Empire State Building. Es war ein atemberaubender Anblick, der ihr immer wieder vor Augen führte, wie unglaublich weit sie in den letzten Jahren gekommen war. Alex lächelte zufrieden. Mit 35 Jahren war sie ganz oben angelangt. Sie spielte nun in der ersten Liga. Und das hatte sie ganz allein geschafft. Das Telefon riss sie aus ihren Gedanken. Es war Zack, ihr ehemaliger Kollege von Franklin & Myers, derzeit Managing Director von LMI, dem sie ihren neuen Job mehr oder weniger verdankte. Er bat sie zu einer kurzfristig anberaumten Vorstandssitzung in den 30. Stock. Alex schloss den Laptop, ergriff ihre Aktentasche und durchquerte eilig den Handelsraum.Es war schon spät an einem Freitagnachmittag, und der große Raum, der üblicherweise vor Hektik brodelte, war bis auf eine Putzkolonne verwaist. Kurz nach Börsenschluss waren die Händler ins Wochenende entschwunden. Alex zog ihre Magnetkarte durch den Schlitz neben der Aufzugstür. Die Sicherheitsvorkehrungen bei LMI waren so drastisch wie im Pentagon, jede Benutzung der Magnetkarte wurde im Zentralrechner registriert. Während der Aufzug sie lautlos 16 Stockwerke höher trug, betrachtete Alex kritisch ihr Spiegelbild. Für eine Frau in ihrer Position war es ungleich schwerer als für einen Mann, von Kollegen und Geschäftspartnern akzeptiert und respektiert zu werden. Sie musste hart und unnachgiebig wie ein Mann sein, ohne dabei als Hyäne zu gelten. Diesen Drahtseilakt beherrschte Alex nach zwölf Jahren Wall Street jedoch perfekt. Sie lächelte ihrem Spiegelbild wohlwollend zu. Längst machte in dieser Stadt niemand mehr den Fehler, sie zu unterschätzen. Jemand hatte ihr einmal vorgeworfen, sie sei gefühlskalt und rücksichtslos, aber das hatte Alex als Kompliment gewertet. Sie musste so sein, um in dieser rauen Männerwelt bestehen zu können. Der Aufzug hielt mit einem leisen Läuten im 30. Stock und Alex atmete tief durch. Sie ging den mahagonigetäfelten Flur entlang, an dessen Wänden raffiniert beleuchtete expressionistische Gemälde hingen, die unter Garantie echt und ein Vermögen wert waren. Die dicken Aubusson-Läufer auf dem rötlich glänzenden Marmor verschluckten ihre Schritte. Jeder Zentimeter der Einrichtung atmete Gediegenheit, Macht und Erfolg aus. Wer hier oben im 30. Stock saß, der hatte es geschafft. Alex lächelte. Eines nicht mehr so fernen Tages würde auch ihr Name an einer der Türen stehen, an denen sie vorbeiging. Es gab keinen Zweifel – Alex liebte den 30. Stock.
    Sie klopfte an die Tür des großen Konferenzraumes, der die ganze Breite des
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