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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Autoren: Nele Neuhaus
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den Bonus in Form von Aktienoptionen geben, so, wie das allgemein üblich ist. Aber wir könnten Ihnen den Betrag auch bar, das heißt, hm, steuerfrei, auf ein Konto im Ausland einzahlen.«
    Er lächelte harmlos und nicht so, als habe er ihr eben vorgeschlagen, Steuern zu hinterziehen.
    »Die Entscheidung liegt bei Ihnen, Alex. Aktienoptionen sind gut. Aber der Vorteil einer Barauszahlung, bei Ihrer Steuerklasse, liegt klar auf der Hand.«
    Alex wusste nicht recht, ob ihr der Vorschlag gefiel, aber sie begriff allmählich, weshalb Levy sie heute hierhergebeten hatte. Er wollte ausloten, inwieweit sie bereit war, legale Grenzen zu überschreiten und wie groß ihre moralischen Bedenken waren.
    »Ein ganz klein wenig illegal, nicht wahr?«, sagte sie leichthin und lächelte.
    »Illegal«, Levy lachte leise, »was für ein hässliches Wort. Im Übrigen, finden Sie nicht auch, dass Sie genug Steuern bezahlen?«
    Alex nickte. Wenn irgendwo ein paar Investmentbanker zusammensaßen, wurde unablässig über mehr oder weniger legale Steuertricks gesprochen. Bei den hohen Gehältern, die in ihrer Branche gezahlt wurden, waren die steuerlichen Abzüge immens, und ein Konto auf den Bahamas, den Cayman-Islands, der Schweiz oder sonst wo war keine Ausnahme, sondern die Regel.
    »Sie sagen St. John Bescheid, wenn Sie sich entschieden haben«, sagte Levy freundlich, »aber das war ohnehin nur die eine Sache, die ich mit Ihnen besprechen wollte. Die andere ist die Selbstständigkeit Ihrer Abteilung.«
    »Ich dachte, Sie erwarten Eigeninitiative?« Alex war erstaunt.
    »Oh ja, das tue ich auch«, versicherte Levy. »Verstehen Sie das bitte nicht als Kritik! Diskretion ist in Ihrem Job lebenswichtig. Und wir sind ja auch mehr als zufrieden. Aber vielleicht ist es Ihnen in Zukunft möglich, den Vorstand von geplanten Geschäften zu unterrichten, bevor Sie in erste Verhandlungen mit einem Kunden treten.«
    Er machte eine Pause, um seine Worte auf Alex wirken zu lassen.
    »Der Vorstand«, sagte er dann, »möchte gerne wissen, was in den einzelnen Abteilungen des Hauses vor sich geht. Das ist reines Interesse, keine Kontrolle. Die Entscheidungen treffen Sie wie bisher allein, nach Rücksprache mit Finanzvorstand und Rechtsabteilung.«
    Alex sah Levy einen Augenblick an, dann nickte sie langsam. Sie wusste sehr genau, was man tun konnte, wenn man vor allen anderen Marktteilnehmern über bevorstehende Geschäfte informiert war. Wenn jemand in niedrig bewertete Aktien von übernahmebereiten Unternehmen investierte, bevor die Übernahmebereitschaft öffentlich bekannt wurde und dadurch die Kurse stiegen, konnte man eine Menge Geld verdienen. In wenige Worte gefasst bezeichnete man das als Insiderhandel, und es war als illegale Marktbeeinflussung so ungefähr das Verbotenste, was es überhaupt gab. Nicht umsonst gab es in Investmentfirmen die so genannte ›Chinesische Mauer‹, eine Informationssperre zwischen Händlern und Investmentbankern im eigenen Haus, damit vertrauliche Informationen nicht vorab genutzt werden konnten. Levy forderte sie mehr oder weniger auf, diese ›Chinesische Mauer‹ zu umgehen. Alex bemerkte, wie gespannt der Präsident von LMI auf ihre Antwort wartete, und sie beschloss, seinem Wunsch zu entsprechen.
    »Das ist kein Problem«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.«
    Ihr entging nicht der Ausdruck von Erleichterung, der nur für Bruchteile von Sekunden über Levys Gesicht huschte, bevor er wieder gütig lächelte.
    »Großartig«, sagte er zufrieden, »ich wusste, dass wir uns verstehen. Ihr direkter Ansprechpartner ist Mr St. John.«
    ***
    Zachary St. John, der zwar kein besonderes Gespür für das Bankgeschäft, sehr wohl aber für die Beurteilung des Machtgefüges an der Wall Street hatte, veranstaltete in regelmäßigen Abständen Partys in seiner Penthousewohnung in Battery Park City, zu der er immer die Leute einlud, die er für wichtig hielt. Alex war an diesem Abend zum ersten Mal eingeladen und sie war mehr als gespannt darauf, wen sie dort treffen würde. Einladungen zu Zacks legendären Partys waren innerhalb der Wall-Street-Gemeinde heiß begehrt, denn bei feinstem Essen und dem teuersten französischen Champagner wurden wichtige Neuigkeiten ausgetauscht, Kontakte geknüpft und Deals eingefädelt. Eineganze Weile hatte Alex überlegt, was sie anziehen sollte. Zuerst hatte sie an eines ihrer Business-Kostüme gedacht, die sie üblicherweise im Büro trug, aber
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