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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Autoren: Nele Neuhaus
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kalte Glitzern in Sergios Augen und zog es vor, zu schweigen. Es gab keinen Grund für sie, Partei für Kostidis zu ergreifen.
    ***
    Eine halbe Stunde später entschuldigte sie sich bei Sergio. Während sie sich mit einem Lächeln durch die Menschenmenge bis ins Foyer treiben ließ, hatte sie die Begegnung mit dem Bürgermeister schon beinahe vergessen. Sie genoss es aus vollen Zügen, zu diesen privilegierten Menschen zu gehören, die sich überhaupt nichts dabei dachten, für ein Abendessen mehr Geld auszugeben, als ein Arbeiter in einem halben Jahr verdiente. Sie wanderte die langen Flure des luxuriösen City Plaza Hotel entlang, bis sie feststellte, dass sie sich verlaufen hatte, denn sie befand sich vor dem Eingang zur Küche. Sie wandte sich um und stieß beinahe mit zwei Männern zusammen, die eilig auf eine Tür mit der Aufschrift ›Nur für Personal‹ zugingen. Zu ihrer Überraschung erkannte Alex Nick Kostidis. Der Bürgermeister schien das Hotel durch den Hinterausgang verlassen zu wollen.
    »Oh!« Kostidis lächelte, als er sie erkannte und blieb stehen. »Wollten Sie die Küche inspizieren, Miss Sontheim?«
    Er hatte sich ihren Namen gemerkt! Das Handy des anderen Mannes begann zu klingeln, worauf dieser ein Stück weiter ging.
    »Nein, ich ... ich habe mich wohl verlaufen«, erwiderte sie. Kostidis war nur wenig größer als sie selbst. Seine Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten, und er hatte für einen Mann ungewöhnlich lange und dichte Wimpern.
    »Sie stammen nicht aus New York, nicht wahr?«, fragte er.
    »Nein, ich komme aus Deutschland. Aber ich lebe schon seit zwölf Jahren hier.«
    »Deutschland!« Kostidis lächelte freundlich. »Das Land der Dichter und Denker! Was hat Sie ausgerechnet hierher verschlagen?«
    »Ich wollte Karriere machen«, entgegnete Alex.
    »Sie arbeiten?« Er zog die Augenbrauen hoch.
    »Was dachten Sie denn?« Sie sah ihn spöttisch an. »Ich bin keine reiche Erbin. Ich war sechs Jahre lang bei Morgan Stanley und arbeite jetzt bei LMI.«
    »Aha. Bank. Das große Geld«, Kostidis lachte, aber seine Augen blieben ernst und forschend.
    »Mein Job gefällt mir«, Alex glaubte plötzlich, sich rechtfertigen zu müssen, »genauso, wie mir diese Stadt gefällt. New York ist so lebendig.«
    »Das ist es, in der Tat«, Kostidis nickte. »Meine Eltern kamen aus Griechenland hierher, aber ich bin hier geboren und aufgewachsen, und ich hatte nie den Wunsch, woanders zu leben. Aus beruflichen Gründen war ich eine Weile in Washington, da fühlte ich mich wie in der Verbannung. Für mich gibt es nur New York City. Ich liebe diese Stadt, trotz all ihrer Schwächen. Und ich arbeite mit meiner ganzen Kraft dafür, dass New York schöner und lebenswerter wird.«
    Alex starrte Nick Kostidis an und staunte über die echte, ungekünstelte Begeisterung und Leidenschaft in seinen Worten. Beim Reden benutzte er seine Hände und mit seiner lebendigen Mimik zog er den Zuhörer unweigerlich in seinen Bann. Ihr fiel wieder ein, dass Levy ihn einen Demagogen genannt hatte, und sie dachte an die verächtlichen Worte von Sergio. Nun, da sie Kostidis persönlich kennen gelernt hatte, wunderte sie sich nicht mehr, weshalb er die Wahlen zum Bürgermeister vor gut anderthalb Jahrenmit einer so überragenden Mehrheit für sich entschieden hatte. Er besaß eine nahezu magische Anziehungskraft und die einzigartige und seltene Begabung, seinem Gesprächspartner das Gefühl zu vermitteln, er sei in diesem Augenblick der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt. Die Bevölkerung von New York liebte und verehrte ihn, weil er seinen Worten Taten folgen ließ. Er hatte in wenigen Monaten für die Sicherheit und Verbesserung der Lebensqualität mehr getan, als seine Vorgänger in zehn Jahren.
    »Nick?« Der junge Mann mit dem dünnen blonden Haar und dem blasierten Gesichtsausdruck hatte sein Telefonat beendet und kam näher. Er musterte Alex mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen.
    »Kommen Sie, Nick? Wir müssen los.«
    »Ich komme«, sagte Kostidis, ohne seinen eindringlichen Blick von Alex abzuwenden, »gehen Sie schon vor, Ray.«
    »Okay«, der Mann gehorchte widerwillig.
    »Mein Kindermädchen«, Kostidis lächelte bedauernd, »ein Termin jagt den nächsten und Mr Howard achtet darauf, dass ich überall rechtzeitig und lange genug erscheine. Er ist nicht zu beneiden.«
    Er reichte Alex die Hand.
    »Es war sehr nett, Sie kennen zu lernen, Miss Sontheim.«
    »Ja, das ... das fand ich auch«,
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