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Unter den Straßen Berlins

Unter den Straßen Berlins

Titel: Unter den Straßen Berlins
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Bernd.
    »Amöben?«
    »Ja.«
    »Das sind doch keine Amöben. Sieht eher aus wie große Spinnen oder was in der Art. Vielbeiner.«
    »Was sind denn Vielbeiner?«, fragte Bernd.
    »Kein Plan, wie würdest du die denn nennen?«
    Die Kamera glitt über die dicht gedrängt sitzenden und krabbelnden Wesen. An manchen Stellen konnte man keine einzelnen Tiere mehr erkennen, nur noch ein schwarzes Netz von wogenden dünnen Beinen und Körpern.
    »Ich geh runter«, sagte Bernd schließlich.
    »Um was genau zu tun?«, fragte Markus.
    »Ich pack mir so ein Vieh und nehm es mit. Das müssen wir dem Gesundheitsamt melden.«
    Markus nickte. Was auch immer das für Tiere waren, dort gehörten sie nicht hin. Wahrscheinlich hatte da wieder einer irgendwas Exotisches eingeschleust und dann in der Toilette runtergespült, als es lästig wurde.
    Bernd machte sich bereits an den Gas-Check.
     

    Vorsichtig stieg Katja aus der Badewanne. Die Fliesen konnten sehr rutschig sein, wenn sie nass wurden. Einen Badteppich gab es nicht in der WG, weil Julien das unhygienisch fand. In ein Handtuch gewickelt ging sie langsam zur Tür. Sie blieb stehen. Da war etwas. Etwas hatte an der Tür gekratzt, sie war ganz sicher. Ein paar Sekunden stand sie ganz still und lauschte. Und da war es wieder. Als ob etwas an dem Lack der hölzernen Badtür entlang strich.
    Eine Schlange?
    Julien hielt verschiedene Schlangen in den Terrarien seines Zimmers. Ein ewiger Streitpunkt in der WG. Was, wenn so ein Vieh ausgekommen war und durch die Wohnung glitt? Normalerweise hätte sie jetzt Julien angerufen, aber ihr Handy lag in ihrem Zimmer.
    Katja sah sich im Bad um. Der Wäschekorb! Sie verknotete das Handtuch vor ihrer Brust und ging zu dem geflochtenen Weidenkorb. Sie schüttete den Inhalt kurzerhand auf den Boden und trug den Korb zur Tür. Dort platzierte sie ihn so, dass die Schlange direkt hineinglitt, wenn sie ins Bad kriechen wollte. Vielleicht lockten die Wärme und der Wasserdampf sie an.
    Katja griff nach dem Wischmob neben der Tür, falls sie ein wenig nachhelfen musste. Eine Schlangenphobikerin war sie nicht gerade, aber Anfassen musste auch nicht unbedingt sein.
    Langsam öffnete sie die Tür.
    Katja schrie und fiel rückwärts auf den Boden. Mit einem Satz flog das schwarze vielbeinige Wesen über den Wäschekorb. Katja kreischte und kroch rückwärts. Sie hielt den Wischmop mit einer Hand vor sich und das Geschöpf stürzte sich auf die Stofffäden des Mopps und umklammerte sie. Katja ließ den Mopp los und krabbelte auf den Berg benutzter Wäsche zu. Etwas landete auf ihrem Rücken. Dann durchstachen nadelspitze Zähne das Handtuch und ihre Haut.
    Es beißt! Es beißt!!!
    Sie warf sich herum und versuchte, sich das Handtuch vom Leib zu reißen.
     
    »Mein Gott, Alter …« Bernd richtete seine Lampe auf die wogende Masse an der Wand.
    »Das sind hunderte, ich sag’s dir.«
    »Tausende«, korrigierte Markus. »Und denk mal nicht, dass die nur in diesem Schacht hocken.«
    Der Lichtstrahl schwenkte zur anderen Seite des Tunnels.
    »Die waren vorhin aber noch nicht da. Die kommen von allen Seiten«, sagte Bernd.
    Markus sah, wie immer mehr der schwarzen Vielbeiner über den Beton in ihre Richtung krochen.
    »Vielleicht zieht sie das Licht an«, mutmaßte Markus.
    Bernd trat näher an einen der Vielbeiner heran und berührte ihn mit der Schuhspitze. Sofort stürzte sich das Tier auf ihn und umklammerte Bernds Stiefel.
    »Fuck!« Er schüttelte den Fuß, aber das Tier ließ nicht von ihm ab. Plötzlich kam Bewegung in die dunkle Masse. Wie auf einen stummen Befehl lösten die Wesen sich voneinander und strömten auf die beiden Männer zu.
    »Achtung, Bussi!« Markus holte mit dem Fuß aus und trat mit voller Wucht seitlich gegen das Ding an Bernds Stiefel. Es kreischte schrill, hielt sich aber weiter fest. Markus trat mehrere Male gegen den schwarzen Klumpen aus Beinen, bis es sich löste und auf den Boden fiel.
    »Lauf!«, schrie Markus. Über ihnen zog sich die Kanalwand zu, wie der Himmel vor einem Gewittersturm.
     
    Das Handtuch flog in die Ecke und prallte gegen die Wand.
    Blut lief ihr den Rücken herunter. Sie hatte das Tier mitsamt dem Handtuch fortgerissen und weggeschleudert. Zitternd zog sich Katja am Badewannenrand hoch und ließ sich in die Wanne fallen. Sie lugte über den Rand zur Ecke neben der Tür, wo das Handtuchbündel zu Boden gefallen war. Spinnenartige Beine streckten sich aus dem gelben Frotteestoff. Katja konnte ihr eigenes
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