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Unter den Straßen Berlins

Unter den Straßen Berlins

Titel: Unter den Straßen Berlins
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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stärker werdenden Regen, ihre Sachen zusammenzupacken.
     
    Es folgte der zarten Duftspur vor sich, tastete mit schlanken Armen die Umgebung ab. Die Beute musste ganz nah sein. Es fühlte eine Stofflichkeit und biss einmal hinein. Falsch. Es glitt weiter an dem Gewebe entlang und suchte. Der Duft verstärkte sich auf einmal erheblich.
    Blind stürzte es sich auf die Quelle der Duftspur und biss zu. Seine kleinen Zähne versanken in weichem Gewebe. Weich und tot. Nicht essbar. Das Gewebe trug den Duft der Beute, aber es war kein Fleisch. Es grub sich in das weiche Ding hinein, suchend, wühlend, um sich beißend.
     
    Katja zog den Reißverschluss der Picknicktasche zu und warf sie sich über die Schulter.
    »Ich fahr nach Hause«, sagte sie.
    »Ich bringe dich«, bot Markus an.
    »Lass mal, ich nehm die Tram.«
    Er zuckte die Achseln. Dann eben nicht. Sein Angebot stand, es war ihre Entscheidung. Sein T-Shirt verdunkelte sich immer mehr an den Schultern. Er sollte auch zu seinem Wagen gehen, bevor der Regen ihn völlig durchnässte. Markus ging den Weg hoch zur Straße, wo sein Wagen parkte. Er stieg ein und zog sein Handy aus der Tasche.
    Geht klar, bis morgen. Kussi. tippte er und schickte die Nachricht ab. Lieber mit Bussi, alias Bernd, durch die stinkenden Abflusskanäle laufen, als mit Katja zu Billes Geburtstagsbrunch. Eigentlich war diese Variante den Ärger wert. Bille war viermal so alternativ wie Katja und zweimal so ungeschminkt. Bille wickelte sich Hanflappen um den Oberkörper, trug ebenfalls Kopftuch (selbst gebatikt) und ihr Freund, Joshua, war der Ansicht, im Mittelalter hätten sie auch schon auf Seife verzichtet, warum also heute etwas daran ändern? Wenn Markus ihn sah, musste er immer an Aragorn von Herr der Ringe denken, der stets undefinierbare Lederrollen mit sich herumschleppte, die aber nie zum Einsatz kamen.
    Er passte einfach nicht in dieses Metier, auch wenn er Katja wirklich gern hatte.
    Markus warf den Motor an und schaltete den Scheibenwischer ein. Sollte der Regen noch stärker werden, war es umso wichtiger, dass sie morgen die Inspektion machten. Die Kanalisation war voller fester Abfälle, die Staus im Kanalsystem verursachten.
    Und bei Regen konnte das ganz schnell gehen. Das sollte selbst eine Katja einsehen, die sich bei alternativen Öko-Brunchs vorkam, als habe sie mit der Verschmutzung tief in der Erde gar nichts zu tun, weil sie sich veganen Brotaufstrich auf Reismehlscheiben reinzog.
    Markus musste sich selbst stoppen. Er steigerte sich wieder in diese Sache hinein. Er fuhr um die Wohnblocks herum, dann bog er in die Berliner Allee ein, Richtung Alexanderplatz.

    Der Regen hatte alle Besucher verscheucht. Es brachte nichts, weiter zu warten. Selbst wenn das Wetter sich heute noch mal besserte, schafften es die Leute nicht, sich wieder aufzuraffen und in den Park zu gehen. Das war Erfahrungssache. Günther stand auf, um nach dem Boot zu sehen, das das junge Pärchen heute verfrüht zurückgebracht hatte. Er langte nach der Leine und zog es zu sich heran. Günther spürte einen gewissen Widerstand, es glitt tatsächlich nicht gut durchs Wasser. Durch den Regen und das allmählich abnehmende Licht des frühen Abends konnte er im Wasser nichts erkennen. Er packte das Plastikboot und versuchte es anzuheben.
    »Scheiße … was is das denn«, murmelte er. Normalerweise konnte er so ein Teil problemlos ein Stück aus dem Wasser ziehen, aber bei diesem Boot musste sich etwas darunter verfangen haben, denn es schien Tonnen zu wiegen.
    Nur was? Die Unterseite des Bootes war glatt, wie aus einem Stück. Nochmals versuchte er erfolglos, das Boot etwas nach oben zu ziehen.
    Günther ging, um seine wasserdichte Anglerhose zu holen. Er würde diesem Problem auf den Grund gehen und dann Feierabend machen.
     
    Katja schloss die Haustür auf und zwängte sich in den engen Flur ihrer Wohngemeinschaft. Sie streifte die Schuhe ab, ging in ihr Zimmer und stellte die Picknicktasche neben das Bett.
    Ein Bad war jetzt genau das Richtige. Scheißregen. Scheißtag.
    Warum mussten sie immer streiten, warum konnte sie nicht einmal unzickig sein? Sie wusste ganz genau, dass Markus sich Mühe gab und viel Geduld mit ihren teilweise nervigen Freunden bewies. Ja, sie selbst fand sie manchmal auch nervig. Und es gab Tage, da wollte sie einfach alles über den Haufen werfen und zu McDonald’s gehen. Sie wollte Ketchup, Majo und frittiertes Fleisch essen. Sie wollte sich mit zuckerhaltigen Getränken
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