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Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Autoren: Steve Hamilton
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hieß mein Bein etwas zu lupfen. Dreißig Minuten lang ließ ich das Wasser über mich laufen. Als ich damit fertig war, fühlte ich mich schon etwas besser. Die Schwelle an der Duschtasse überwand ich wie nichts.
    Ich zog mich an. Sobald ich die Hosen anbekommen hatte, wurde das Leben einfacher. Ich rasierte mich, machte mir was zum Frühstück, saß am Tisch und sah aus dem Fenster, während ich den Kaffee austrank. Es mochten wohl zwölf Zentimeter Neuschnee gefallen sein. Hier in der Gegend nennt man das vereinzelte Verwehungen.
    Ich ging nach draußen, setzte den Kleinlaster in Gang und fuhr mit dem Schneepflug über meine Straße. Zunächst fuhr ich nach Westen, tiefer in den Wald hinein. Ich wohnte in der ersten Hütte, die, bei der ich meinem Vater im Sommer 1968 geholfen hatte. Die zweite Hütte war etwas größer. Er hatte sie im nächsten Jahr allein gebaut. Sie stand im Moment leer. Der Mieter aus dem Süden Michigans hatte im letzten Moment telefonisch abgesagt.
    Die dritte Hütte war wieder etwas größer, und so ging es weiter bis zur sechsten und letzten Hütte am Ende der Straße, und jede stand für einen weiteren Sommer im Leben meines Vaters. Zu dieser Jahreszeit waren alle Mieter Schneemobilfahrer. Man konnte sie tagsüber hören, wie sie die Pisten auf dem Staatsland rauf und runter röhrten. Ich mag nun mal keine Schneemobile. Der Krach, der ölige Rauch aus dem Auspuff. Und dann die Leute, die sie fahren, eingepackt in diese Schneemobilanzüge, sehen aus wie der Michelin-Mann, und meistens noch randvoll abgefüllt mit Bier und Schnaps. Je nachdem wie der Wind steht, kann man sie sogar mitten in der Nacht da draußen hören, wie sie auf den blöden Dingern hocken. Und dann passieren die Unfälle. Jede Woche kann man lesen, wie einer gegen einen Baum rast oder ins Eis einbricht. Am besten kann ich mich an den erinnern, wo ein Mann die Piste verlassen hat und zu einer Farm gefahren ist, direkt unterm Zaun einer alten Pferdekoppel her. Und jetzt stelle man sich den armen Kerl vor, der hinter ihm her fährt und den Helm aufhebt, in dem der Kopf noch drinsteckt.
    »Schneemobile haßt du richtig, wie?« hatte mich Jackie mal gefragt.
    »Ja, Jackie, das gebe ich zu. Ich hasse Schneemobile.«
    »Weißt du denn auch, daß hier jedes Motel im Winter zwei Jahre im voraus ausgebucht ist? Das sind nicht mehr wie früher die Sommergäste, die hier Leben in die Bude bringen, Alex. Und auch nicht mehr die Jäger. Das sind die Schneemobilfahrer. An wen vermietest du denn bitte deine Hütten in dieser Jahreszeit?«
    »Vogelkundler«, sagte ich. »Skilangläufer. Leute mit Schneeschuhen.«
    »Das wüßte ich aber!« widersprach er. »Wo wärst du ohne Schneemobile? Was würdest du von Dezember bis März machen?«
    »Nach Florida gehen.«
    »Ja, das seh ich so vor mir. Alex McKnight am Strand. Schlürft ’nen Margarita.«
    »Ja und?«
    »Dafür bist du schon zu lange hier«, meinte er. »Du hast es im Blut.« Ich weiß noch, wie Jackie sich über den Tresen lehnte und mich am Kragen packte. »Du bist jetzt selbst ein Yooper, Alex. Du gehörst zu uns.«
    Der Schnee war so trocken und leicht wie Talkumpuder. Ich pflügte ihn von der Straße, ohne ihn zu spüren oder zu hören. Ich wendete schließlich und fuhr in östlicher Richtung zur Hauptstraße. Ich fuhr an meiner Hütte vorbei und pflügte die Straße vor Vinnies Hütte frei. Sein Wagen stand nicht da. Vielleicht hatte er die Nacht im Reservat verbracht. Normalerweise pflüge ich im Vorbeifahren auch seine Einfahrt frei, aber heute hatte ich irgendwie keine Lust dazu. Soll er doch eingeschneit bleiben. Meinetwegen kann er ruhig mal schaufeln.
    Ich rumpelte vorbei und hielt dann doch an. Ich setzte zurück und säuberte seine Einfahrt.
    Ich fuhr in die Stadt, holte meine Post. Ich stand dicht an meinem Wagen, als ich ihn volltankte, und spürte den kalten Morgenwind von der Whitefish Bay her. Soweit man sehen konnte, war sie zugefroren, aber irgendwo da draußen, vielleicht drei Kilometer seeeinwärts, war noch offenes Wasser. Das ist das Wasser, das die Schneegötter nährt. Ich erinnerte mich noch gut an eine Nacht vor zwei Jahren, in der es in zwölf Stunden fast anderthalb Meter geschneit hatte. In so einer Nacht spielen alle die Reise nach Jerusalem – da, wo man gerade ist, wenn’s anfängt zu schneien, ob Kneipe, Restaurant oder zu Hause, da bleibt man auch die nächsten zwei Tage.
    Ein großer Lastwagen fuhr in die Tankstelle, hinter sich einen
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