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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum
Autoren: Ines Thorn
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neben der Leiche des o. g. Jonah wieder. Ich hielt eine Axt in der Hand, die mit Blut verschmiert war. Obwohl ich keine Erinnerungen an die Tat habe, bin ich davon überzeugt, der Mörder des Jonah zu sein. Ich bereue meine Tat aufrichtig. Walter Jordan.«
    »Es ist wirklich merkwürdig, dass Walter sich an nichts erinnern konnte«, stellte Ralph Lorenz fest. »Ich kannte ihn sehr gut, war sein Hausarzt. Niemals habe ich bei ihm eine neurologische Störung festgestellt. Zwar hört man immer wieder von Schockerlebnissen, die einen Teil des Gedächtnisses auslöschen, aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen.«
    »Master?«
    Aluunda war so leise wie eine Katze aus der Küche gekommen und stand nun schüchtern neben Ralph Lorenz.
    »Was ist, Aluunda?«
    »Jonah wird gleich hier sein. Vorher muss ich etwas sagen. Saleem und ich haben die Vorfälle von damals nicht mit eigenen Augen gesehen, aber wir hörten von Orynanga, dem Stammesältesten der Damala, der alles mit angesehen hatte, dass nicht Master Walter, sondern Steve Emslie Jonah getötet hat.«
    Ralph sprang auf. »Das sagst du erst jetzt, Aluunda? Warum hast du nicht früher gesprochen?«
    Die alte Frau blickte beschämt zu Boden. »Wir hatten Angst«, gab sie zu. »Master Emslie mochte die Schwarzen nicht. Er hasste sie so sehr, dass er einen von uns getötet hat. Wir dachten, wenn wir uns in die Angelegenheiten der Weißen mischen, wird er uns auch töten.«
    Der Anwalt nickte. »Komisch, ich hatte mir so etwas Ähnliches schon gedacht.«
    Dann wandte er sich an Aluunda. »Wo steckt dieser Orynanga jetzt?«
    Aluunda schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Master. Der Clan ist ins Outback gegangen. Vielleicht ist Orynanga schon bei den Ahnen.«
    »Hm.« Der Anwalt kratzte sich erneut am Kinn. »Wir müssen diesen Mann auftreiben. Vielleicht lebt er noch. Vielleicht hat auch jemand anderer etwas gesehen.«
    Aluunda stand noch immer, von einem Bein auf das andere tretend, vor den beiden Männern. »Wir wollen nicht, dass die Missus ins Gefängnis kommt. Wenn wir helfen können, tun wir das. Wir haben keine Angst mehr vor dem Master.«
    Ralph griff nach der Hand der alten Frau. »Danke«, sagte er. Er wusste genau, wie schwer es für die Aborigines war, sich den Weißen zu offenbaren. Er wusste auch, dass Aluunda dies nur tat, weil sie Amber wie eine eigene Tochter, Jonah und Emilia wie eigene Enkel liebte.
    »Jonah sollte ins Outback gehen. Er ist ein Aborigine. Er muss initiiert werden. Er muss zum Uluru, zum Ayers Rock. Dort wird er jemanden finden, der weiß, wo die Damalas gerade sind.«
    Aluunda sprach diese Worte mit ungewohnter Schnelligkeit, als wollte sie eine Pflicht hinter sich bringen. Dann verschwand sie so schnell und lautlos, wie sie gekommen war.
    »Jonah kann nicht allein ins Outback. Er ist noch viel zu jung. Er ist erzogen worden wie ein Weißer. Er kann nicht allein in den Busch«, sagte Ralph.
    »Er wird müssen«, teilte der Anwalt ungerührt mit. »Das ist die einzige Möglichkeit.«
    Jonah war weniger geschockt, als Ralph befürchtet hatte. Er hatte sich die Stelle unter dem Teebaum zeigen lassen, an der sein Vater geruht hatte. Eine Weile hatte er mit angezogenen Knien danebengesessen, dann war er zu den beiden Männern zurückgekehrt.
    »Ich werde ins Outback gehen. Ich werde meinen Clan finden. Und ich werde dafür sorgen, dass der Name meiner Familie weiß wie die Blüten des Teebaums wird. Saleem wird die Plantage für mich pflegen.«
    »Und dein Studium? Was ist damit?«
    »Es muss warten. Alles hat seine Zeit. Ich werde ins Outback gehen. Wenn ich wieder zurückkomme, werde ich weiterstudieren. Meine Mutter ist jetzt das Wichtigste.«
    Ralph überlegte eine kleine Weile. Dann stand er entschlossen auf und reichte Jonah die Hand. »Ich werde mit dir kommen. Wir werden mit dem Flugzeug zum Uluru fliegen. Ich weiß, dass es Sitte ist, zu Fuß auf den Traumpfaden zu wandeln. Doch dafür ist jetzt keine Zeit mehr. Wir müssen deinen Clan so schnell wie möglich finden.«
    Jonah strahlte den Mann, der für ihn seit Jahren ein väterlicher Freund war, an. »Danke«, sagte er.
    »Hm«, seufzte der Anwalt und kratzte sein Kinn, auf dem schon rote Striemen zu sehen waren. »Hm. Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn ihr alle gleichzeitig von hier verschwindet. Wer führt das Gut weiter? Wer ist da, wenn die Beamten noch weitere Fragen haben, Bücher sehen wollen und so weiter?«
    »Emilia«, sagte Jonah. »Sie ist groß und stärker,
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