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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum
Autoren: Ines Thorn
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als sie auf den ersten Blick aussieht. Sie wird sich um alles kümmern.«
    »Und Bob. Die Männer haben ihn zum Vorarbeiter gewählt. Er ist ein zuverlässiger und loyaler Arbeiter, der seit vielen, vielen Jahren hier auf dem Gut beschäftigt ist. Er wird die Sache in die Hand nehmen«, ergänzte Ralph.
    Noch am selben Abend war alles geklärt. Und schon am nächsten Morgen begaben sich die beiden Männer auf eine Reise ins Unbekannte.
    Amber saß in ihrer Zelle und war wie erstarrt. Lilith war erneut ihre Zellengenossin, und diesmal hatte sie sich dem Riesenweib anvertraut.
    »Dein Alter ist ein Schwein. Steve, meine ich«, sagte sie. »Würde mich nicht wundern, wenn er es selber war, der den Schwarzen ins Grab gebracht hat. Hast du schon mal darüber nachgedacht, Schwester?«
    Amber starrte Lilith an, als käme sie von einem anderen Stern. Langsam schüttelte sie den Kopf.
    »Ich habe nie wirklich glauben können, dass mein Vater zu einem Mord fähig ist. Was du sagst, macht Sinn. Ich hätte Steve niemals geheiratet, wenn Jonah am Leben geblieben wäre. Ich hätte ihn auch niemals geheiratet, wenn er nicht damit gedroht hätte, meinen Vater ins Gefängnis zu bringen.«
    Sie schlug sich mehrmals mit der Faust gegen die Stirn und fragte: »Mein Gott, warum habe ich nie nachgedacht? Ich hätte meinem Vater so viel Leid ersparen können.«
    »Du bist nicht darauf gekommen, weil du das Erlebnis und alles, was dazu gehört, vergessen wolltest. Du hast die Dinge hingenommen. Es war schwer genug für dich, den Tod Jonahs zu verkraften. Für die Dinge, die am nächsten vor unserer Nase liegen, sind wir häufig blind«, tröstete Lilith.
    »Aber wie kann ich der Polizei beweisen, dass Steve eventuell Jonah getötet hat? Er hat einen Zeugen aufgetrieben, der bestätigt hat, dass ich die Mörderin bin. Das Geständnis meines Vaters wird nicht viel nützen. Viele Väter würden für ihre Kinder eine solche Schuld auf sich nehmen. Er ist tot. Niemand kann ihn mehr befragen.«
    Lilith, die auf der Bettkante gesessen hatte, legte sich hin und verschränkte die Arme unter dem Kopf. »Ich bin nicht besonders klug«, sagte sie. »Hab nicht mal ’nen Schulabschluss. Aber eines weiß ich genau: Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt. Wenn du etwas beweisen willst, dann nimmst du die Sache am besten selber in die Hand.«
    Am nächsten Morgen, noch bevor die Kalfaktorin das Frühstück verteilt hatte, hämmerte Amber wie eine Wahnsinnige gegen die eiserne Zellentür.
    »Ich muss meinen Anwalt sprechen. Sofort!«, schrie sie.
    »Ruhe«, brüllte die Aufseherin zurück. »Du kannst erst mit deinem Anwalt sprechen, wenn die Anstaltsleitung es dir erlaubt, verdammt. Also halt jetzt den Mund.«
    Doch Amber ließ nicht locker. Den ganzen Tag über hämmerte sie immer wieder gegen die Tür und verlangte, wenigstens mit Silvio Creally telefonieren zu können. Endlich, am Nachmittag, wurde sie aus der Zelle und in ein Büro geführt.
    »Nicht länger als fünf Minuten«, knurrte die Frau, die hinter einem Schreibtisch saß und ein leeres Blatt für Notizen vor sich liegen hatte.
    Amber war so erleichtert, dass sie nur nickte.
    Silvio Creally war sofort am Apparat. Hastig sprudelte Amber alles herunter, worüber sie die ganze Nacht lang nachgedacht hatte.
    »Keine Aufregung«, beruhigte sie der Anwalt. »Ralph Lorenz und Ihr Sohn sind heute Morgen zum Uluru aufgebrochen. Ich wette, dass sie nicht eher zurückkommen, als bis sie den alten Mann gefunden haben, der die Tat beobachtet hat. Er weiß als Einziger, was wirklich geschehen ist. Und wir, Amber, wir wissen es zwar nicht, aber unser Gefühl hat uns längst die Antwort gegeben. Mich zumindest hat mein Gefühl selten getäuscht.«
    »Danke«, flüsterte Amber. »Danke für alles.«

26
    Ich war noch nie im Outback«, sagte Jonah während der Fahrt zum Flughafen Adelaide.
    Ralph hatte für sie beide einen Flug nach Yulara, einem kleinen Landeplatz ungefähr zehn Meilen vom Uluru entfernt, gebucht.
    »Ayers Rock oder Uluru – Sitz der Ahnen«, erwiderte Ralph und wirkte ein wenig ergriffen. »Ich war noch nie dort, aber ich habe es mir immer gewünscht.«
    Er lachte. »Allerdings unter anderen Umständen.«
    »Ich war auch noch nie dort. Ich wollte mir den Uluru aufheben für eine ganz besondere Gelegenheit in meinem Leben. Die Hochzeitsreise vielleicht. Jetzt ist eine besondere Gelegenheit da. Man kann sich wohl nicht aussuchen, wann die Ahnen rufen«, erwiderte Jonah und versank in
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