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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum
Autoren: Ines Thorn
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Verbrechen gesehen zu haben.«
    »Aha. Und warum haben die Herren erst heute den Mund aufgemacht? Fünfundzwanzig Jahre lang lebten sie ja wohl, ohne dass ihr Gewissen sie über die Maßen belästigt hat.«
    »Sie können sich Ihren Spott sparen, Rechtsanwalt Creally. Wir reden hier von Mord, vom gewaltsamen Tod eines Menschen. Steve Emslie erklärte, er hätte aus Liebe geschwiegen, und Harry Ulster schwieg aus Loyalität zu seinem Boss.«
    »Wie edel. Was haben Sie nun vor, Herr Staatsanwalt? Zwei wackelige Zeugenaussagen nach fünfundzwanzig Jahren dürften als Grund für eine Verhaftung kaum ausreichen.«
    »Nun, es wurde eine Kaution von fünfundzwanzigtausend Dollar gestellt. Mrs Emslie kann gehen. Ich habe unterdessen eine Untersuchung auf dem Gut angeordnet. Das Grab des Toten wurde von Emslie und Ulster genau beschrieben. Wenn wir eine Leiche dort entdecken, werden wir weitersehen. Mrs Emslie muss sich zu unserer Verfügung halten und darf ihr Gut nur mit unserer Erlaubnis verlassen.«
    Der Anwalt nickte, dann zog er Amber, die vollkommen teilnahmslos dagesessen hatte, vom Stuhl und führte sie nach draußen.
    Dort wartete bereits Ralph Lorenz.
    Amber stürzte in seine Arme. Ralph hielt sie ganz fest und wiegte sie sanft wie ein Kind.
    »Ich war es nicht, Ralph«, sagte Amber. »Bei Gott, ich war es nicht. Glaubst du mir?«
    »Natürlich glaube ich dir. Keine Sekunde habe ich gezweifelt. Lass uns nach Hause fahren. Ich glaube, wir haben einiges zu besprechen.«
    Zwei Stunden später saßen Ralph, Amber und der Anwalt auf der Veranda und tranken von Aluunda gebraute Limonade. Emilia hatte darauf bestanden, an diesem Gespräch teilzunehmen, aber Amber hatte sowohl sie als auch Jonah weggeschickt.
    Sie hatte geduscht und fühlte sich jetzt wieder ein wenig frischer. Doch das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
    »Werden die Beamten, die innerhalb der nächsten Stunde hier mit einem Bagger aufkreuzen, eine Leiche finden, Mrs Emslie?«, fragte der Rechtsanwalt.
    Amber holte ganz tief Luft, dann nickte sie. »Ja. Unter dem benannten Teebaum liegt die Leiche von Jonah. Er ist der Vater meines Sohnes gleichen Namens. Wir haben uns sehr geliebt.«
    Der Anwalt nickte. »Wie ist er dort hingekommen?«
    Amber schloss die Augen. Vor ihr stiegen Bilder auf, die sie seit so vielen Jahren zu vergessen suchte. Stockend begann sie zu reden. Sie sprach von ihrer Liebe zu Jonah, sprach davon, wie Orynanga ihn zur Initiation ins Outback geschickt hatte. Sie erzählte vom Weinfest und vom Wiedersehen mit Jonah, berichtete von der Prügelei und davon, wie sie weggelaufen war, um Hilfe zu holen.
    »Als ich zurückkam, lag Jonah im Weinkeller tot auf dem Boden. Mein Vater lag neben ihm und hielt in seiner Hand eine blutbeschmierte Axt. Steve Emslie kauerte neben ihm und brachte ihn mit Ohrfeigen zu Bewusstsein. ›Warum haben Sie das getan?‹, hatte Emslie gefragt. ›Warum haben Sie Jonah getötet?‹ Wir waren alle wie von Sinnen. Keiner von uns war in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Außer Steve. Er schlug vor, Jonah am Rand der Weinberge zu begraben. Es wusste ja niemand außer uns, dass er zurückgekommen war.«
    »Sie waren nicht dabei, als Ihr Vater den Aborigine getötet hat? Es gibt außer Steve also keine Zeugen.«
    Amber schüttelte den Kopf. »Ich war durcheinander. Ich habe niemanden gesehen, auch Harry Ulster nicht. Ich habe nur ein Geständnis meines Vaters, dass er die Tat begangen hat«, sagte Amber und wollte aufstehen, um es zu holen.
    »Hm«, brummte der Anwalt und kratzte sich am Kinn. Ralph hatte die ganze Zeit geschwiegen, doch er hatte Ambers Hand gehalten.
    Aluunda kam und stellte einen frischen Krug mit Limonade auf den Tisch, obwohl der alte noch über die Hälfte gefüllt war. Sie trat unruhig von einem Bein auf das andere, als wollte sie etwas sagen, doch niemand achtete auf sie.
    »Geh zurück in die Küche, Aluunda«, sagte Amber müde. Die Alte öffnete noch einmal den Mund, doch dann drehte sie sich um und ging zurück.
    »Ihr Vater, Amber, erinnerte er sich an den Mord?«
    Amber schüttelte den Kopf. »Nein, er war schockiert, als er mit der Axt in der Hand zu sich kam. Er hatte keine Erinnerung an die Tat.«
    Wieder kratzte sich der Anwalt am Kinn. »Geben Sie mir das Geständnis, Amber. Ich möchte es mit eigenen Augen lesen.«
    Amber holte das Papier, gab es Creally, und der Anwalt steckte es in seine Tasche, denn gerade rumpelte ein Bagger die Auffahrt herauf.
    »Ich werde bei der
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