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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
Autoren: Alexandra Fuller
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umgebracht«, sagt Mum. »Da musste man eine warme Daunenjacke und einen Wollschal dabeihaben. Ich bin mit ’ner schweren Bronchitis heimgekommen.« Im Lauf von zehn Jahren hat sie es zur wichtigsten Fischproduzentin im Land, vielleicht sogar ganz Südostafrikas gebracht. Ihre Fische sind berühmt für ihre Qualität, ihre Fähigkeit, Gewicht zuzulegen, und ihren bemerkenswert ungestressten Zustand. »Du kennst Mum«, sagt Dad. »An ihren Fischteichen muss jeder sich gut benehmen und mucksmäuschenstill sein.« Und tatsächlich reicht es ihr nicht, eine leistungsstarke Fischzucht zu haben, die Teiche müssen zugleich komfortabel für die Fische und etwas fürs Auge sein, als wäre diese Szenerie ein Ersatz für etwas, das sie zu anderen Zeiten an anderen Orten auf Leinwand festgehalten hätte: friedlich an den Ufern der Teiche grasende Gänse und Schafe, in den Ecken malerische Schilfbüschel und im Hintergrund Baobab-Bäume, die eine heiter-bukolische Kulisse hergeben.
    Am Vormittag ist die Arbeit auf der Farm bereits seit fünf Stunden im Gange. Mum und Dad kommen zum Frühstück, einer Mahlzeit, die aus mehreren Kannen Tee, einem Toast und einer bescheidenen Schale Maisporridge besteht. Dann stülpt sich Dad den Hut zurück auf den Kopf, Mum greift zu Gehstock und Fernglas, und sie ziehen wieder los. »Details, Details, Details«, sagt Mum. »Der Teufel steckt im Detail.« Aber am frühen Nachmittag treibt die Hitze alle zurück ins Haus oder in den Schatten, und wir ziehen uns in unsere froschverseuchten Zimmer zur Siesta zurück.
    Nach der Siesta und weiteren Kannen Tee gehen meine Eltern wieder auf die Farm hinaus, Dad einen duftenden Schweif aus Pfeifenrauch hinter sich herziehend, Mums Gehstock den Takt ihrer Schritte auf den Boden klopfend. Von der Erde unter den Bananen müssen Proben für den Einsatz geeigneter Mikroorganismen genommen, in mehreren Teichen die Fischbrut gezählt werden, während die Hirten bereits die Schafe für die Nacht heimbringen. Die Luft hat schon ihre schwere goldene Beschaffenheit angenommen, als wir mit den Hunden an der Grundstücksgrenze entlang zu Breezers gehen, dem Pub am Fuß der Farm, gerade rechtzeitig, um die Reiher vom Sambesi herüber zu ihren Nachtquartieren einschweben zu sehen.
    Bevor es stockdunkel ist – »Man will ja nicht plötzlich einem dieser verfluchten Flusspferde gegenüberstehen«, sagt Dad –, schlendern wir angenehm beschwipst zum Baum des Vergessens zurück. Mr. Zulu, ein paar seiner Ehefrauen und eine Schar seiner Kinder sitzen auf der Veranda, als wir vorbeikommen. Mr. Zulu nickt zur Begrüßung, wir tauschen kurze Höflichkeiten aus. »Guten Abend, Mr. Zulu.« »Ebenfalls, Mr. Fuller.« Seine Hunde kläffen spaßeshalber unsere Hunde an, wodurch Isabell und Attatruk (Mums Puten) sich zu hysterischem Gegacker herausgefordert fühlen, und prompt fängt Lightning zu iahen an (Flash ist vor ein paar Jahren an der Schlafkrankheit verstorben). »Bei uns geht’s zu wie bei den Bremer Stadtmusikanten«, freut sich Mum.
    Vor dem Abendessen – die letzte Mahlzeit nehmen meine Eltern spät ein wie die Südeuropäer – macht Mum sich ein Bad, ein Glas Wein neben sich. Dad und ich schenken uns unter dem Baum des Vergessens einen Drink ein und spielen eine langatmige Partie Mau-Mau. »Ohne Van macht das Schummeln nur halb so viel Spaß«, sage ich. Die Hunde verteilen sich auf Schöße, Betten und Sessel und lecken sich die Pfoten. Im Badezimmer übertönt Mum Luciano Pavarotti: »Ah! Il mio sol pensier sei tu, Tosca, sei tu!« Hin und wieder macht es plopp, wenn ein unachtsamer Gecko vom Dachbalken in der Küche abgestürzt ist, wo Big H als Beilage zu Mums Fischcurry, das in einem der Le-Creuset-Töpfe leise vor sich hin brodelt, eine Schale Kurkumareis gekocht hat. Eine glückseligere Häuslichkeit lässt sich kaum denken.
    Plötzlich brechen die drei Hunde in der Gästehütte in lautes, aufgeregtes Kläffen aus. Es ist Jahre her, dass ich dieses ganz eigene Gebell zuletzt gehört habe, und trotzdem erkenne ich es sofort. Ich lege meine Karten auf den Tisch und schaue Dad an. »Das ist Schlangenkläffen«, sage ich.
    Dad nimmt die Pfeife aus dem Mund und neigt den Kopf. »Oh, verflucht, du hast Recht«, sagt er. Er läuft die Treppe hinauf, und ich folge ihm scheinbar hilfsbereit und doch darauf bedacht, nicht vor ihm an der Tür zu sein. Dad betritt das Gästehäuschen. »Okay, Bobo«, sagt er und hebt die Hand. Ich schaue nach unten. Er ist gerade
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