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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
Autoren: Alexandra Fuller
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dich.«
    Dad ging in den Garten, die Hunde liefen ihm nach, und er schüttete etwas Wein in zwei Gläser. Mehrere Minuten vergingen, dann hörte er, wie die Schlafzimmertür sich öffnete. Die Hunde sprangen auf und schlugen wilde Willkommensgrüße mit den Schwänzen. Trotz der schwülen Februarhitze war Mum wie für eine lange, schwierige Reise an einen einsamen kalten Ort gekleidet – Pyjama, Wollschal um den Hals, dicke Socken –, immerhin hatte sie sich das Haar, so gut es ging, zurechtgebürstet (auch wenn es noch windschief lag) und einen hellen Streifen Lippenstift aufgelegt.
    »Na also, Tub«, sagte Dad.
    Mum setzte sich neben ihn und schaute hinüber zum Msasa-Wald. »Hm«, sagte sie.
    »Hier«, sagte Dad und reichte ihr ein Glas.
    Mum hob das Glas. »Auf uns«, sagte sie. Sie lächelte. »Uns gibt’s nicht zweimal, und wenn doch, sind sie längst gestorben.«
    Dad trank einen Schluck Wein. »Das kannst du laut sagen«, erwiderte er.
    Mein Vater kaufte dem sambischen Landwirtschaftsministerium zwei Arbeitsesel ab. Sein alter Viehverwalter aus Mkushi, der danach Mums Stallbursche geblieben war, bestand darauf, mit auf die Farm zu kommen, um sich dort um die Esel zu kümmern. »Wenn Sie Esel haben«, sagte Dama Zulu zu meinem Vater, »dann muss ich mit und Ihnen helfen.« Mr. Zulu musterte die Esel mit fachmännischem Blick. »Wir könnten sie Flash und Lightning nennen«, schlug er mit einem Optimismus vor, der sich als hellsichtig erweisen sollte. Und so arbeiteten mein Vater und Mr. Zulu, die Esel und eine Gruppe Männer aus den umliegenden Dörfern monatelang zusammen. Sie rodeten das Areal der Farm, zogen Baumstümpfe heraus, errichteten Feuersperren, lichteten dichtes Buschwerk. Es war entsetzlich heiß – zu heiß, um im Zelt zu schlafen (»Man wäre vor Hitze umgekommen«, sagt Dad), also schliefen Dad und Mr. Zulu unter einer Persenning, die sie zwischen ein paar Mopanebäumen aufgespannt hatten. Und wie es so ist, wenn Menschen eng aufeinander leben, schaute der eine sich die Gewohnheiten vom anderen ab: Mr. Zulu übernahm Dads krummbeinigen Gang und seine Art, am liebsten gar nicht und wenn, dann in kurzen, barschen Bellern zu sprechen, während mein Vater sich Mr. Zulus Gewohnheit zu eigen machte, auf all seine Gänge einen langen Stock als Schlagwaffe gegen Schlangen und die seilartigen Triebe der Büffelbohnen mitzunehmen. »Und nachts sind sie von Moskitos beinahe aufgefressen worden«, fügt Mum hinzu. »Diese Moskitos waren wie die Schakale. Die haben literweise Blut gesoffen, bis außer ein bisschen schlaffer Haut nichts mehr von Dad und Mr. Zulu übrig war.«
    »Jetzt übertreibst du aber, Tub«, sagt Dad.
    »Na und, dann kann sie es wenigstens in eins ihrer grässlichen Bücher schreiben«, erwidert Mum.
    Bis April hatte Mr. Zulu – dessen Leidenschaften Land und Frauen waren – zwei Mädchen aus dem Dorf geschändet (und zur Entrüstung seiner ersten drei Gemahlinnen eins von ihnen geheiratet) und Dad einen Malariaanfall hinter sich, aber die Straße zum Fluss hinunter war gerodet, und die Umrisse der zukünftigen Farm waren bereits zu erkennen: oben die morastigen Flächen, auf denen die Fischteiche ausgehoben werden sollten, darunter das etwas lehmigere, gut für Bananen geeignete Areal und schließlich ein Streifen am Fluss, den man für die zukünftige Fischerhütte und eine Bar reserviert hatte. »Heute hole ich die Frau aus Lusaka«, sagte Mr. Zulu, »damit sie sich einen Platz für ihre Hütte aussucht. Und Sie müssen sich auch einen Platz zum Wohnen aussuchen.«
    Mr. Zulu beanspruchte für sich einen kleinen Hügel, auf dem er Herr und Gebieter über alles war, das unter ihm lag, und von wo aus er unverhofft auftauchende, vielversprechende junge Frauen schon auf eine Meile Entfernung sehen konnte. Währenddessen hatte meine Mutter sich zu einem Baum begeben, der etwas versteckt am Fuß der Böschung zu Mr. Zulus Hügel stand. Der Baum war nicht übermäßig hoch, hatte eine abgerundete Krone aus ledrigen dunklen Blättern und tief herabhängende Zweige. Sie stieß ihren Gehstock in den Boden unter dem Baum. »Hier«, verkündete sie, und ihr Blick schwenkte hinauf in die Zweige des Baums, »wo die vielen Vögel sitzen, genau hier will ich mein Haus stehen haben.«
    Mr. Zulu war von seinem Hügel heruntergestiegen und stand neben meiner Mutter unter dem Baum. Er zündete sich eine Zigarette an und schaute in den Baldachin aus Blättern. Dann langte er hinauf in die Blätter
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