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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
Autoren: Alexandra Fuller
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West with the Night , The Flame Trees of Thika oder Out of Africa . Alles in allem war sie mit dem Ergebnis ganz zufrieden, auch wenn sie das Gefühl hatte, in manchen Bereichen vielleicht etwas zu viel durchgemacht zu haben (Schicksalsschläge zum Beispiel oder Krieg und Armut). Ein zentraler Posten aber fehlte noch in ihrem Portfolio: Es kamen keine Flugzeuge darin vor, und im Leben von Mums literarischen Vorbildern hatten Flugzeuge durchweg eine tragende Rolle gespielt.
    »Und dann tauchte plötzlich, wie ein Geschenk des Himmels, mein schneidiger kleiner Sri-Lanker auf.« Streng genommen war es nicht ihr schneidiger kleiner Sri-Lanker – auch wenn man im Lauf ihrer Beziehung durchaus auf diesen Gedanken kommen konnte –, und innerhalb der Familie wurde zuweilen recht erbittert darüber debattiert, ob er schneidig war. Einigkeit dagegen bestand darüber, dass der Sri-Lanker klein war. Sein richtiger Name war Mr. Vaas, und er war nach Sambia gekommen, sagte er, um dem Elend und der Gewalt in seinem Heimatland zu entfliehen.
    »Dann müssten Sie sich bei uns ganz zu Hause fühlen«, sagte Dad, worauf ihn Mr. Vaas misstrauisch ansah. Aber mein Vater sagte nichts weiter, sondern wandte sich in aller Ruhe wieder seinem Farmer’s Weekly zu. Letzten Endes musste ich meinem Vater Recht geben. »Wie immer«, sagte Mum.
    »Hat nicht der letzte Pilot, den wir hier hatten, seine Maschine gegen einen Strommasten gesetzt?«, fragte ich und schenkte mir Tee nach.
    Ohne den Blick von seiner Zeitschrift zu heben, sagte mein Vater: »Ich fürchte ja.«
    Mr. Vaas sank ein bisschen in sich zusammen.
    »Am besten gar nicht hinhören«, sagte Mum, schob Mr. Vaas energisch von der Veranda und trieb ihn quer durch ihren Garten – ein kühnes Durcheinander von Bougainvillea und Passionsfrucht-Ranken, Lilienbeeten und Strelitzien, Fliederbüschen und Caladien, die über Fleißige-Lieschen-Rabatten aufragten. Mums Hunde tollten ihnen um die Füße. »Meine Familie schikaniert mich, wo sie kann«, sagte sie. Mr. Vaas tätschelte ihr mitfühlend den Arm und wurde mit einem gierigen Grinsen belohnt. »Sie und ich«, prophezeite Mum, »wir werden allen zeigen, was echter Mut ist. Lassen Sie uns die Blixen und der Finch Hatton von Sambia sein.«
    Mr. Vaas blinzelte aus der Abenddämmerung in Dads und meine Richtung.
    »Was macht der Tee, Bobo?«, fragte Dad. »Noch heiß?«
    »Brühend heiß.«
    Jetzt verschwand Mr. Vaas und nach ihm Mum in unserem Pferch, wo das Milchvieh ins Freie gekommen war, um den abendlichen Stechmücken zu entgehen. »Come fly with me«, hörte ich Mum singen, »let’s fly, let’s fly away. If you can use some exotic booze, there’s a bar in far Bombay. Come fly with me, let’s fly, let’s fly away.«
    Dad ist so gut wie taub von all den Gewehrschüssen, die in seinem Leben um ihn herum abgefeuert wurden (nicht alle von Mum), deshalb hörte er nichts vom Gesang der Nicola Fuller of Central Africa, und ich hielt es für meine Pflicht, ihn zu warnen, dass Frank Sinatra soeben die Bühne betreten hatte. Dad legte die Zeitschrift hin. »Na, da kann man dem kleinen Inder nur die Daumen drücken«, sagte er.
    »Sri-Lanker«, verbesserte ich ihn.
    Dad zündete sich eine Zigarette an.
    »Come fly with me«, trällerte Mum – ihre Stimme schien jetzt aus Richtung der Tabakschuppen zu uns herüberzuwehen –, »let’s float down to Peru.«
    Und so parkte Mr. Vaas, angespornt durch Mums beinahe schon angriffslustige Begeisterung, seine betagte, sehr primitive Cessna auf dem Rollfeld neben dem Mkushi Country Club (auf dessen Tennisplätzen kleine Bäume wuchsen und in dessen Bar Fledermäuse unterm Dach nisteten) und bot offiziell seine Dienste als Fluglehrer an. Wäre in dieser Geschichte jemand ums Leben gekommen, hätte sie sich sicherlich in mein Gedächtnis eingeprägt. So aber weiß ich nicht mehr genau, wer noch alles an dem Flugkurs teilgenommen hat; es müssen ein, zwei Farmer und vielleicht noch ein paar andere Frauen gewesen sein. Doch wie bei so vielen Geschichten, die sich um Mum drehen, spielt das sowieso keine große Rolle.
    »Wie ein Vogel« fand Mum zum Fliegen – nur mit den technischen Formalien, die für einen halbwegs reibungslosen Flug nötig waren, hatte sie so ihre Probleme. »Diese blöden Zahlen«, musste sie finster einräumen. »Vielleicht hätte ich doch besser aufpassen sollen, als diese verfluchten Nonnen mir das Rechnen beibringen wollten.« Navigation und Treibstoff-Füllmengen zum
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