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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
Autoren: Alexandra Fuller
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Beispiel fand sie »sehr verirrend«. Trotzdem konnte eine Bagatelle wie Mums absolute Unfähigkeit, über die zehn Finger an ihren Händen hinaus zu zählen, weder sie noch Mr. Vaas daran hindern, auf die Erfüllung ihres Traums hinzuarbeiten. Den ganzen dunstigen Winter hindurch bis in die ersten heißen Frühlingstage hinein waren die beiden zugange.
    Der Zufall wollte es, dass der Tag, auf den sie ihre ersten Start- und Landeversuche terminiert hatte, auf einen Vollmond fiel. Die Tragflächen ruckelten ächzend in der sackenden Spätnachmittagshitze, als Mum und Mr. Vaas die Cessna ans Ende der Startbahn rollten. Sie drehte sich in den Wind, dem Jägermond zu, der blutrot in einem rauchdurchwehten Himmel aufging. Mr. Vaas dirigierte Mum durch den allerletzten Instrumentencheck, und dann schaute sie noch einmal kurz zu der kleinen Wellblechhütte hinüber, in der die anderen Flugschüler warteten, und zeigte der Welt den hochgerichteten Daumen.
    Roter Sand wirbelte auf, als das Flugzeug durch die Ameisenbärenlöcher der Startbahn rumpelte. Ein, zwei kleine Hopser, dann schwang es sich empor, kippte nach links und nach rechts, bevor es die Wipfel der Msasa-Bäume unter sich ließ, deren frische Frühlingsblätter kurioserweise orange, rot und gelb leuchteten. Mr. Vaas schaute hinüber zu Mum. »Wie fühlen wir uns, Mrs. Fuller?«
    Für die anderen Flugschüler in der kleinen Wellblechhütte neben der Startbahn war zunächst nur ein Knistern zu hören, dann kam die Stimme von Nicola Fuller of Central Africa, noch leicht zittrig von dem wahnwitzigen Mut, der sie in die Lage versetzte, Abenteuer und Möglichkeiten zu erblicken, wo andere nur Katastrophen und Tragödien sahen. »Fly me to the moon«, sang sie, noch nicht ganz fest, aber klar und deutlich, »let me play among the stars.«
    Eine Pause. Mit beunruhigendem Lächeln schaute Mum Mr. Vaas an. Auf seiner Stirn perlten winzige Schweißtropfen. »Und es gehört schon was dazu, einen Sri-Lanker ins Schwitzen zu bringen«, sagte sie hinterher.
    »Immer sachte«, sagte Mr. Vaas.
    Mums Stimme kam wieder über Funk, lauter jetzt: »Let me see what spring is like on Jupiter and Mars.«
    Aber als das kleine Flugzeug entschlossen auf die untergehende Sonne zuhielt, ein tapferes, dunkelviolettes Ausrufezeichen in einem glühend roten Himmel, fing Mr. Vaas wild zu gestikulieren an. »Umdrehen! Drehen Sie sofort um!«
    Mum wollte über das Flakgeschütz auf der Mkushi River Bridge hinwegfliegen. Die Rhodesier hatten die Brücke während des Rhodesischen Buschkriegs gesprengt, was selbst aus heutiger Sicht noch übertrieben erscheint – schließlich lag die Brücke, so, wie die Straßen beschaffen waren, mindestens ein, zwei Tage Fahrt von der rhodesischen Frontlinie entfernt. Die Vergeltung der sambischen Armee sah so aus, dass sie, als der Krieg schon vorbei war, auf der Nordseite der Brücke einen ständigen Maschinengewehrposten gegen die South African Defense Forces installierte. Da Südafrika Tausende von Kilometern weit wegliegt und die eigentlichen Kämpfe wie üblich anderswo stattfanden, boten sich den sambischen Schützen nicht viele Ziele. Vor lauter Langeweile schossen sie, mit Bier aufgetankt, auf alles, was in Reichweite war: Krähen, Eukalyptusbäume, Hühner. Wer hätte da vorhersagen wollen, wie sie auf den absolut außerplanmäßigen Anflug eines echten Flugzeugs reagieren würden?
    Mr. Vaas wurde autoritär. »Ich habe keine Freigabe für die Brücke. Drehen Sie um!«
    » In other words «, trällerte Mum, » hold my hand .«
    Mr. Vaas betrachtete sie grimmig. »Wir landen. Wir starten. Wir landen. Wir starten. Bums. Bums. Bums. Bums. Keine Brücken, keine Gesänge, verflixt und zugenäht.«
    Mum betrachtete ihren kleinen Sri-Lanker mit bekümmertem Tadel. »Wir könnten nach Zaire fliegen«, bot sie an. »Das liegt gleich hinter den kleinen Hügeln.«
    Der Grimm in Mr. Vaas’ Blick wurde bedrohlicher. »Wir kehren jetzt schleunigst zum Rollfeld zurück«, sagte er.
    Ein Schleier fiel über Mums Augen, aber sie nickte. » Roger «, sagte sie. In dem Moment sei ihr klar geworden, sagte sie später, dass sie nie allein über das sambische Hochplateau fliegen würde, an den Felsklippen entlang und den Luangwa River hinauf, ausfächernde Elefantenherden vor sich herjagend, das Licht von Höhe und Adrenalin so ausgedünnt, dass es dem perfekten Licht ihrer Kindheit nahekam. »Also flog ich die Cessna zurück, setzte sie auf der Piste auf und begrub auch
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