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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
Autoren: Alexandra Fuller
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Spion in der Leitung sein Lunch essen hören«, sagt Mum. »Nshima mit Soße. Mampf-mampf.« Ein- oder zweimal wurde Dad zum Verhör auf das Polizeirevier gebracht. »Seitenlange Beschuldigungen wegen jedem Quatsch, der Teil unserer Arbeit war«, sagt Mum. Sie trinkt einen Schluck Tee, zwickt einem der Jack Russells geistesabwesend eine Zecke aus dem Fell. »Oh ja, das konnte alles im Handumdrehen sehr unheimliche Formen annehmen und war äußerst anstrengend«, sagt sie. »Ich bekam Furunkel, Dad gingen die Haare aus, und wir hatten einen Malariaanfall nach dem anderen. Als unser Zweijahresvertrag ausgelaufen war, reichte es uns. Zwei Jahre waren mehr als genug.«
    Meine Eltern fanden in Sambia Arbeit bei einer deutschen Firma, die auf einer Farm nahe der Grenze zu Zaire Mais, Sojabohnen und Tabak anbaute und Vieh züchtete. »Wir haben gerne für ›Se Dschermans‹ gearbeitet«, sagt Mum. Sie reibt ihre Nase an der Schnauze des Jack Russells. »Oder, Bumble Bee? Ja, wir haben ›Se Dschermans‹ geliebt.« Mum schaut mich an. »Na ja, du weißt, wie die Deutschen sind. Alles musste schön ordentlich und möglichst malerisch aussehen, wenn sie zum jährlichen Besuch zu uns herauskamen. Also stellten sie uns ein paar Buschpferde auf die Koppel am Haus und besorgten uns eine Garnitur Weingläser als Ersatz für des Sammelsurium, das unsere Umzüge überlebt hatte. Und sie importierten schreckliche Chemikalien, die das Wasser im Pool blau färbten, damit sie vorm Frühstück ein erfrischendes Bad nehmen konnten oder was immer die Deutschen so für Angewohnheiten haben.«
    Mum kaufte sich einen Sprachführer und ein Wörterbuch und begann mit ihrem Koch Adamson Phiri Chichewa zu büffeln. »Muli bwanji. Dzina landa ndine Nicola Fuller of Central Africa«, sagte sie. Besonders angetan hatte es ihr das Chichewa-Wort für Gehirn. »Bongo«, rief sie triumphierend, »Bongo, Bongo. Wenn das keine Lautmalerei ist. Besser lässt sich mein Gehirn nicht beschreiben.« Dann kramte sie den Berlitz-Deutschführer heraus, der noch von Dads Zeit bei der Veterinärfirma in Kenia übrig geblieben war (»ich wusste, dass wir den noch mal gebrauchen konnten«), lief im Haus herum und redete deutsch mit den Tieren: »Wie geht es dir?«
    Eigentlich waren Mum und Dad dort ein paar Jahre lang recht glücklich. Es ist wahr, dass einige ihrer Nachbarn in Mkushi bewaffnet und ziemlich nervös waren – »die vielen Jugoslawen und Griechen«, sagt Mum genussvoll, »das waren absolute Hitzköpfe« –, aber es war wenigstens kein Krieg im Gange. Die sambischen Buschponys waren halsstarrig und schlugen aus, doch sie brachten Mum auf den Gedanken, es mal wieder mit dem Springreiten zu probieren, und sie kaufte sich ein ordentliches Pferd (eine Hannoveraner-Stute namens Hannah) und nahm an Turnieren bei Landwirtschaftsfesten teil. Und Dad, inspiriert von Mums Springreiterei, fing wieder mit Polo an, beteiligte sich an staubreichen und gefährlichen Turnieren in Lusaka. (»Gangway! Gangway!«, grölten die Reiter, wenn alle schnell Platz machen mussten, weil wieder einmal ein wild gewordener Amateur laut schreiend auf das Tor zugaloppierte.)
    Aber wieder einmal passierte woanders auf der Welt etwas, das alles veränderte. Ende 1989 fiel die Berliner Mauer, und beinahe über Nacht war das berechenbare System des Kalten Krieges, auf das sich Sambia (ein sozialistisches Land) so lange verlassen konnte, viel ungewisser geworden. Die Märkte öffneten sich, die Kontrolle des Kapitalverkehrs brach zusammen, amerikanische Nahrungsmittelhilfe überflutete das Land, und plötzlich konnten die Farmer ihren Mais und ihre Sojabohnen im Inland nicht mehr verkaufen. »Wer kauft schon Nahrungsmittel, wenn er sie umsonst bekommt?«, sagt Dad.
    Anfang der 1990er-Jahre wurden die Deutschen nervös. »Sie wollten ihr Geld aus Sambia in Sicherheit bringen«, sagt Mum. Die Farm wurde verkauft, meine Eltern waren arbeitslos und ohne Unterkunft. Ein Freund bot ihnen Oribi Ridge an, ein kleines Haus mit angrenzenden Ställen und einem Orangengarten auf einem hügeligen, mit Msasa-Bäumen bewaldeten Stück Land gut dreißig Kilometer östlich von Lusaka. »Pachtfrei«, sagt Mum und schüttelt verwundert den Kopf. »Ist das nicht nett? Zeit unseres Lebens hatten wir immer nur Glück mit unseren Freunden. Graeme bat uns nur, darauf aufzupassen, dass die Leute in den umgebenden Dörfern ihm nicht die Bäume abholzten – das war alles jungfräulicher Urwald, weißt du, ein
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