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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
Autoren: Alexandra Fuller
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eine Farm er sich vorstellte und wie viele Untertanen des Häuptlings er einstellen würde – Leute, die bei den Fischen arbeiteten, Leute für die Bananen und Hirten für die Schafe. Der Häuptling hörte zu, nickte und murmelte hin und wieder seinem Assistenten etwas zu. Am Schluss bat er Dad, in zwei Monaten wiederzukommen, diesmal bitte mit einem Smoking und einem jungen Stier.
    Wie eine Märchengestalt auf einer immer aussichtsloser werdenden Suche kehrte Dad ein ums andere Mal mit immer neuen Geschenken zu dem Häuptling zurück, um ihm sein Anliegen darzulegen. Insgesamt achtzehnmal fuhr er zu Sikongos Boma und wartete unter dem Mangobaum, meist in der brennenden Mittagshitze, dass der Häuptling ihm Audienz gewährte. Achtzehnmal nahm der Häuptling die Geschenke entgegen und hörte sich Dads Geschichte an, und am Ende des achtzehnten Besuchs sagte Dad schließlich: »Häuptling Sikongo, es ist ja nicht für mich allein. Ihre Untertanen werden dort das Handwerk der Fischzucht lernen, sie werden ordentlich untergebracht, und es gibt sogar Jobs für Frauen. Alle zusammen werden wir etwas aus der Farm machen.« Dad stand auf einem Bein und kratzte sich mit der Stiefelspitze des anderen einen Mückenstich. »Pamodzi, pamodzi.«
    Der Häuptling schaute hoch zu Dad und nickte. »Gut, ich habe verstanden«, sagte er. Es entstand eine Pause, dann deutete der Häuptling flussabwärts. »Es gibt ein Stück Land unter der Brücke, das niemand benutzt, das kannst du haben – es gibt dort keine Straße und keine Häuser. Ich denke, es eignet sich für deine Pläne.«
    Dad blinzelte den Häuptling ungläubig an, dann riss er sich zusammen und machte eine leichte Verbeugung. »Zikomo kwambili, Häuptling Sikongo«, sagte er.
    Dads Projekt einer Fisch- und Bananenfarm wurde dem Bezirksausschuss in Siavonga vorgelegt (ein, zwei Monate vergingen). Dann wurde das Land von einem örtlichen Berater begutachtet und für die Bewirtschaftung freigegeben (auch das nahm ein paar Monate in Anspruch). Ein Planungsbeamter musste nach Simbabwe fahren, um sich anzusehen, wie so eine Fischfarm funktionierte, und es gingen noch ein paar Monate ins Land, ehe er dem Projekt seine Zustimmung gab. Das Gebiet wurde vermessen und ein zweites Mal vermessen, das alles in Abhängigkeit vom Wetter, der Verfügbarkeit von Fahrzeugen sowie der gesundheitlichen Befindlichkeit des jeweils zuständigen Beamten (die Malaria schlägt gerne zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt zu). So kam es, dass Dad fast drei Jahre nach seinem ersten Treffen mit dem Häuptling noch immer keinen Rechtstitel auf das Farmland hatte.
    Währenddessen hatte Mum einen Mega-Nervenzusammenbruch hinter sich und lag in dem Cottage am Oribi Ridge in ihrem Bett, die Vorhänge gegen das Tageslicht zugezogen, die Seele gegen die Welt verschlossen, die Royal-Ascot-Hüte in Fetzen. Sie verkaufte ihre Pferde, stellte das Lesen ein, ging nicht mehr mit den Hunden spazieren. Dad machte sich Sorgen um sie, versuchte vergeblich, sie aus dem Bett zu locken, und saß abends allein vorm Lagerfeuer, erweckte die Glut zum Leben und starrte in die Flammen, dachte darüber nach, ob er nicht besser seinem Instinkt gefolgt wäre und auf den törichten Versuch verzichtet hätte, wieder Land in Afrika zu besitzen.
    Aber dann, er wollte die Hoffnung schon aufgeben, kam auf dem Schreibtisch eines Beamten im Grundbuchamt doch noch ein Vertrag zustande. Letztlich hatte es sich ausgezahlt, dass mein Vater sich an all die Riten, Gebräuche und Vorschriften gehalten hatte. An einem Februarmorgen des Jahres 1999, ein paar Wochen vor Dads neunundfünfzigsten Geburtstag, übergab das Grundbuchamt des Staates Sambia ihm die Eigentumsurkunde, einen Pachtvertrag über neunundneunzig Jahre für eine kleine Farm am mittleren Sambesi. Er raste nach Hause und stürmte ins Schlafzimmer. »Tub!«, rief er. »Eine Farm! Wir haben eine Farm!« Mum wandte sich um zur Tür, schob die Decke von sich und setzte sich auf. »Was?«, fragte sie.
    »Eine Farm«, wiederholte Dad. »Am Ufer des Sambesi.« Dad ließ die Hüften kreisen. »Wie wär’s mit ’nem Schluck Vino im Garten?« Er hielt einen Tetrapack preiswerten südafrikanischen Weins in die Höhe. »Na los, Tub!« Er schob Mum einen Arm unter die Schulter und hob sie aus dem Bett. Verlegen und leicht zittrig legte Mum die Hände an den Kopf, um die Frisur notdürftig zu glätten. »Schon gut«, sagte Dad, inzwischen etwas ruhiger. »Lass dir Zeit. Ich warte draußen auf
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