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Unsterbliche Sehnsucht

Unsterbliche Sehnsucht

Titel: Unsterbliche Sehnsucht
Autoren: Anne Marsh
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beide hoch in den Nachthimmel. Was von unten wie ein hübscher dunkler, mit Sternen gesprenkelter Teppich ausgesehen hatte, kam ihr nun wie ein kalter, feuchter,
endloser
Weltraumtunnel vor.
    »Das ist unfair!«, rief sie und war peinlich berührt über ihr dünnes Stimmchen. Der Campus verlor sich unter ihnen. Wie konnte er das nur regelmäßig machen? Sie gehörte eindeutig zu der Sorte Mädchen, die Flugzeuge bevorzugten. Wenn man ihr Wände und einen Sitz gab, war sie schon zufrieden.
    »Vertrau mir«, murmelte er ihr ins Ohr und legte die Arme enger um sie. »Glaubst du, ich würde dich fallen lassen?«
    »Du hast mich niedergestochen. Wie soll ich dir da noch vertrauen?« Nie würde sie seine kalte, gefühllose Miene vergessen, als er sie mit seiner Klinge durchbohrt hatte. Schnell und gnadenlos, ohne das geringste Zögern. »Du hast mich
getötet

    Er nahm sie fester in die Arme. »Seelenverwandte können nicht sterben, nicht solange der andere noch am Leben ist. Es gab keine andere Möglichkeit, an Cuthah heranzukommen.« Sein leidenschaftlicher Blick ruhte auf ihr. Zer wartete offensichtlich darauf, dass sie entschied, wie es weitergehen sollte. Und Nessa verstand. Er hatte sein ganzes Leben lang gekämpft und gelitten. Er wusste also
ganz genau
, wie sich dieser Stoß angefühlt haben musste. »Aber dass ich es weiß, ist keine Entschuldigung. Ich habe dir wehgetan, und glaub mir, das wollte ich nicht, Baby. Dir doch nicht.«
    Sein Flügelschlagen geriet nicht ein Mal ins Stocken, in einem gleich bleibenden Rhythmus bewegte er sich mit ihr durch den Nachthimmel. Auf einmal ließ er eine seiner großen Hände zu ihrer Brust wandern und fuhr mit den Fingern über die Stelle, wo er ihr Herz durchstochen hatte. Sie war sich sicher, wenn er den Schmerz und die Kränkung, die sie erlitten hatte, ungeschehen machen könnte, dann täte er es auch, und zwar unversehens. Sie selbst hatte Stunden damit zugebracht, auf das blasse weiße Mal zu starren. Die Narbe verblasste schnell. Schon in einem Monat würde sie wohl andere Gedächtnisstützen brauchen, um sich an das Geschehene zu erinnern. Das erklärte aber alles immer noch nicht, warum ihre Haut so empfindlich war oder sich dieses schöne Gefühl in ihrer Brust ausbreitete, genau dort, wo er sie sanft mit den Fingern berührte.
    Es gab einige Dinge, die gesagt werden mussten. Sie wollte diese kompromisslose Nähe, die sie beide in ihrem Büro verbunden hatte, nicht aufgeben. »Trotzdem hast du es getan.«
    Er hielt inne. Seine Finger lagen über ihrem hämmernden Herzen. »Ich habe getan, was ich tun musste. Der einzige Weg, an Cuthah heranzukommen, war durch dich. Es« – er zögerte – »Gott, es tut mir leid. Es hätte eine Entscheidung geben sollen. Und zwar von dir.«
    Rein rational gesehen, war ihr das bereits klar gewesen, doch sie hatte es einfach noch einmal von ihm hören müssen.
    »Das lässt du mich jetzt bestimmt ein Leben lang wiedergutmachen«, fuhr er fort.
    »Was du nicht sagst.« Sie war nicht nachsichtig gestimmt. Vielmehr fühlte sie etwas anderes: heißes Verlangen. Eine erotische Neugier, der sie eigentlich nicht nachgeben sollte. »Ich bin gestorben, Zer! Das übertrifft diese ganze Ich-eile-dir-zu-Hilfe-Nummer. Ich schulde dir nichts.
Du schuldest mir was

    »Abgemacht«, murmelte er und senkte den Kopf, um ihr einen flüchtigen Kuss aufzudrücken.
    Eine kurze, heftige Windböe erfasste sie. Zer glitt auf ihr dahin und brachte sie beide hinunter in die Stadt, die sich unter ihnen erstreckte. Der rasche Sinkflug presste Nessa die Luft aus den Lungen, und sie krallte sich an seinen Schultern fest.
    »Glaub mir«, brummte er ihr ins Ohr und hielt sie ganz fest. »Mit dem Fallen bin ich ein für alle Mal fertig.«
    Sie schmiegte sich an seinen wohlig warmen Körper und konzentrierte sich darauf, dem Schlagen seiner Flügel zu lauschen, mit denen er durch die Luft schnitt. Es sah nicht so aus, als würde ihn das Fliegen irgendwie anstrengen – oder als wäre es ungewohnt. Vielleicht war er schon mit seinen früheren Freundinnen herumgeflogen.
    Er schüttelte den Kopf. »Möchtest du, dass ich dich fallen lasse, nur um es zu beweisen?«
    Gut, vielleicht doch nicht.
    »Sieh dir die Sterne an, Baby.« Mitten in der Luft machte er eine Wende und sie schossen unglaublich hoch hinauf in den dunklen Nachthimmel. Die Sterne … Sie hatte sie viel zu lange nicht gesehen, weil sie zu beschäftigt gewesen war, um hochzuschauen. Wo nur hatte er in
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