Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unsortiertes

Unsortiertes

Titel: Unsortiertes
Autoren: Darius von Benin
Vom Netzwerk:
leider noch keine Termine ausmachen, dazu
bedarf es immer noch des Telefons. Und wenn du uns jetzt entschuldigen würdest,
wir müssen wieder zurück zum Gericht.“
     
    „Aber selbstverständlich! Es hat mich gefreut, euch kennenzulernen.“
Diesmal reichte er mir zuerst die Hand. „Ich werde mich melden, versprochen.“
     
    Ich erhob mich und Justin tat es mir gleich. „Dann noch einen guten
Appetit und vielleicht bis bald.“
     
    „Au plaisir!“ Er stand noch immer an dem Tisch, als wir schon längst
den Ausgang erreicht hatten.
     
    Ich schaute meinen Begleiter etwas mürrisch an. „Was war das denn?“
     
    „Das war Thierry Boulanger, der Bilder für seinen Freund Olaf in
Budapest haben will!“ Er lachte.
     
    Ich grummelte. „Das meine ich nicht! Was sollte das mit ‚mein JFK‘,
mein Lieber?“
     
    „Ach das!“ Er hakte sich bei mir unter. „Hätte ich sagen sollen, mein
Schwager? Dann hätte er dich vielleicht für eine Hete gehalten und wir hätten
ihm die ganze Familiengeschichte erzählen müssen. War er denn nicht nach deinem
Geschmack?“
     
    Der Knabe war wirklich unglaublich, er drehte den Spieß einfach um.
„Erstens ist der Kerl befreundet, aber auch wenn sein Freund im Moment in
Ungarn ist, ich spiele nur ungern den Lückenbüßer. Zweitens ist mir der Typ zu
jung für eine ernsthafte Beziehung.“
     
    Justin stoppte plötzlich, ich wäre fast gestolpert. „Aber Enrico war
damals noch jünger als der kleine Franzose von gerade. Hast du nicht oben im
Gerichtssaal gesagt, du wärst vernarrt in ihn gewesen? Und wie war das kurz vor
unserem Kuss? Wenn Enrico nur etwas offener gewesen wäre, wäre aus euch ein
Paar geworden. Wie passt das denn jetzt zusammen?“
     
    „Das ist etwas anderes!“ Warum rechtfertigte ich mich?
     
    Er umrundete mich, blickte mir in die Augen. „Und warum ist das etwas
anderes?“
     
    „Weil …“ Herr im Himmel hilf! „… weil … dein Bruder … er … er erinnerte
mich irgendwie an Thomas Lange, einen Mitschüler von mir … und meine erste
Liebe!“
     
    „Dann wolltest du mit Enrico also deine erste Liebe neu erleben?“ Er
schaute mich ungläubig an.
     
    Ich steckte mir eine Zigarette an. „Nein! Das war es nicht, es war …“
     
    „Ja?“ Justin nahm mir den Glimmstängel ab.
     
    Ich griff erneut in die Schachtel. „Thomas war … als seine Eltern
erfahren haben, dass er schwul ist, haben sie ihn achtkantig aus dem Haus
geworfen, aus dem behüteten Elternhaus direkt in die Gosse. Auch wenn ich es
gewollt habe, aber ich konnte ihm damals nicht helfen, ich war ja selbst erst
17. Nach meinem Abi habe ich dann mit seinem Grabstein angestoßen.“ Ich kämpfte
gegen meine Tränen. „Als ich dann deinen Bruder sah, da … da … kam alles wieder
hoch und …“
     
    Seine Hand hielt mein Kinn hoch. „Da dachtest du, diesmal könntest du
helfen?“
     
    „Ja, so in der Art. Aber … es hat … auch nicht geklappt!“ Ich
schluckte.
     
    Er zog meinen Kopf zu sich und küsste mich sanft. „Aber dich trifft
doch keine Schuld! Hilfe, die einem angeboten wird, muss man auch annehmen. Du
bist wirklich nicht dafür verantwortlich, wenn jemand lieber durchs Wasser
watet und dabei dann nass wird, anstatt trocken über die Brücke zu gehen, die
du ihm gebaut hast.“
     
    „Du meinst wirklich …“ Ich war mir ziemlich unsicher.
     
    Ein erneuter Kuss folgte. „Meine ich! Wenn Enrico erst nach zwei Jahren
merkt, dass er dir vertrauen und sich auf dich verlassen kann, dann tut er mir
leid. Ich weiß es nach knapp vier Stunden, dass du ein echter Freund bist. Und
nun sollten wir uns beeilen, lieber Schwager!“
     
     
    Wir zogen fast gleichzeitig mit dem Gericht ein. Häuptling Silberlocke
bedeutete dem Saal, sich zu setzen. „Hiermit setzen wir die unterbrochene
Hauptverhandlung gegen Benedikt Hartenberg wegen Totschlags fort. Nach Beratung
durch das Gericht ergeht folgender Beschluss: Der Antrag auf Aussetzung des
Verfahrens wird abgelehnt, stattdessen ergeht der rechtliche Hinweis, dass in
diesem Fall auch eine Verurteilung nach § 211 StGB infrage kommt.“ Er blickte
in den Saal, in dem es in dem Moment mucksmäuschenstill war.
    „Als Mordmerkmale kommen hier Befriedigung des Geschlechtstriebs,
Habgier, Heimtücke und Grausamkeit in Betracht, ferner liegt Verdeckungsabsicht
vor.“ Die Verteidigung schrieb fleißig mit. „Diese Entscheidung dient auch der
Prozessökonomie, obwohl diese nicht ausschlaggebend war. Eine Aussetzung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher