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Unsortiertes

Unsortiertes

Titel: Unsortiertes
Autoren: Darius von Benin
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überraschend, aber der Zungenkuss vom Vormittag
war nicht von schlechten Eltern gewesen. „Das hat dein Bruder nie erwähnt, dass
du auch …“
     
    „Naja, er wusste nicht, dass ich bei unseren Spielereien geblieben
bin.“ Er spielte verlegen mit dem Besteck. „Er hat mich ja auf den Geschmack
gebracht, als wir uns die zehn Quadratmeter bei Tante Margret geteilt haben.“
     
    Welche Neuigkeiten würde ich noch erfahren? „Ihr habt zusammen in einem
Zimmer gewohnt?“
     
    „Ja, nachdem Mama damals an Krebs gestorben war, ich war 12, Enrico
anderthalb Jahre älter, hat uns Tante Margret aufgenommen. Allerdings mussten
wir uns ein Zimmer teilen und wenn der eine …, dann hat der andere das
natürlich mitgekriegt.“ Eine leichte Röte stieg in sein Gesicht. „Und dann
haben wir es halt oft zusammen gemacht, war spaßiger! Und, ehe du fragst, wir
haben auch gefickt, aber ich habe ihn entjungfert, später erst wurde er dann
auch bei mir aktiv.“
     
    Die Offenheit war erschreckend. „Dann stimmte das mit dem Heim wohl
auch nicht?“
     
    „Nicht so ganz, …“ In diesem Moment trat der Kellner an den Tisch,
reichte uns die Karten und erkundigte sich nach den Getränkewünschen. Ich
wollte, wie üblich, ein Altbier bestellen, aber wir waren ja in Köln! Der
Einfachheit halber orderte ich ein Pils, ich hatte wirklich keine Lust auf eine
mögliche Diskussion mit dem Ober, dessen Schürze ein Aufdruck einer Kölner
Brauerei zierte. Ich kann diesen Disput sowieso nicht so recht nachvollziehen, Alt
und Kölsch sind beides obergärige Biere, haben fast die gleiche Stammwürze, nur
der Anteil an Darrmalz ist unterschiedlich. Ohne die Speisenkarte eines Blickes
zu würdigen, wollte ich eine mittlere Prosciutto mit Zwiebeln zum Mittag,
Justin wählte eine kleine Funghi mit doppelt Käse und ebenfalls ein
untergäriges Bier.
    Als die Bedienung außer Hörweite war, nahm sein Gesicht ernste Züge an.
„Mit 15 geriet Enrico in die falschen Kreise: Ladendiebstahl, Schlägereien,
Schwarzfahren, zwar alles nur Kleinigkeiten, aber auch die können zu einem
richtigen Berg anwachsen. Trotz Unterstützung vom Jugendamt wurde unsere Tante nicht
mehr so richtig fertig mit ihm. Er sollte eigentlich in eine betreute
Wohngruppe, stand dann aber bei einem Überfall auf eine Tankstelle Schmiere und
wurde erwischt. Um nicht wieder in den Knast zu müssen, ist er dann nach
Berlin. Den Rest kennst du.“
     
    „Darf ich fragen, warum du nicht …“ Ich blickte ihn an. „Du musst nicht
antworten, wenn du nicht willst, die Frage ist ja wirklich ziemlich privat.“
     
    „Ich bin nicht Enrico, also warum sollte ich dir nicht antworten?“ Er
blickte mich direkt an. „Ich habe das eigentlich nur Tante Margret und ihrer
christlichen Einstellung zu verdanken. Nach Mamas Tod zogen wir ja von Rathenow
zu ihr nach Brandenburg an der Havel und sie meldete mich dort einfach zum
Konfirmationsunterricht an. Dadurch bin ich in eine kirchliche Jugendgruppe und
weg von der Straße, auf der Enrico sich seine Zeit vertrieb.“
     
    „Wie ging es dann weiter?“ Ich wollte noch mehr über ihn erfahren.
     
    Er zuckte mit den Schultern. „Mama war es egal, welche Noten wir nach
Hause brachten, sie war am Ende ja auch zu schwach. Tante Margret hat immer
unsere Hausaufgaben kontrolliert, da mussten wir für die Schule lernen. Auch
wenn ich es damals gehasst habe, aber Dank ihr schaffte ich den Sprung zum
Gymnasium und mit 19 auch mein Abi, zwar nur mit 2,9, aber immerhin.“
     
    Der Kellner brachte uns die Getränke, wir stießen an. „Und was hast du
mit dem Abi gemacht?“
     
    „Bis jetzt noch nichts, ich war erst zwei Jahre beim Bund, habe dann
noch für einen Auslandseinsatz verlängert und jobbe jetzt in einem
Getränkemarkt.“ Er lachte mich an. „Ab Oktober studiere ich dann Informatik an
der FH in Brandenburg, bleibe also in der Heimat.“
     
    Der Kellner brachte uns die Teigscheiben, deren Vorläufer schon bei den
alten Etruskern auf den Tisch kam. Die Pizza war zwar nicht hitverdächtig, aber
mehr als genießbar, ich habe schon schlechter gegessen. Ich blickte ihn
neugierig an. „Kommst du eigentlich zu jedem Verhandlungstag nach Köln?“
     
    „Nein!“ Er schüttelte den Kopf. „Meine eigene Ladung war erst für den
zweiten Verhandlungstag, also vor knapp einem Monat. Ich hatte mir da ein Hotel
hier genommen, denn ich sollte um 9:00 Uhr schon aussagen. Wie der Staatsanwalt
mir erklärte, sagt das Opfer oder der nächste
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