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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia
Autoren: Berte Bratt
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den Stuhl hinunter und setzte sich selber auf die Tischkante.
    „Also heraus mit der Sprache und schau nicht so unglücklich drein! Du hast einen Photoapparat kaputt gemacht und den Schlüssel vergessen und dich selber ausgesperrt?“
    „Ja… und – und den Apparat hatte ich nur geliehen – ich wollte heute eine Wanderung machen – und da wollte ich die Klasse photographieren – und dann war heute morgen die Aussicht aus dem Zimmerfenster so schön, da wollte ich nun versuchen, ob ich sie photographieren könnte, und dabei…“
    Onkel Peter nickte. „Aha! Nun verstehe ich das übrige. Da machte dann der Apparat einen Sturzflug vom sechsten Stock hinunter? Kein Wunder, daß er so mitgenommen aussieht. Und du hast die erste beste – das heißt, die schlechteste Jacke gegriffen, bist hinuntergerannt, um die Scherben aufzusammeln, und hast dabei den Schlüssel vergessen?“
    Claudia nickte. „Arme Claudia – ohne Geld und ohne Taschentuch und ohne Schlüssel –, bist du den ganzen Weg bis hierher zu Fuß gegangen?“
    Sie nickte wieder. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr auf ihre Stimme verlassen. Sie war so unglücklich über den zerstörten Apparat, und sie war so durchfroren, und es war so abscheulich gewesen, in der häßlichen alten Jacke durch die Straßen zu laufen – und es war so schön, in Onkel Peters warmem Büro aufzutauen, und so schön, daß er so lieb zu ihr war.
    „Tja, dann müssen wir mal überlegen, was wir für dich tun können. Laß mal den Apparat sehen – ja gewiß, den kenne ich, wir haben ihn sicher oben in der Photoabteilung. Er kostet so um die dreißig Mark herum, meinst du nicht?“
    „Ja, das stimmt“, flüsterte Claudia.
    „Und jetzt willst du nach oben gehen und Mutti um das Geld bitten?“
    „Ja, weißt du, der Vater von Evi – das ist das Mädchen, die ihn mir geborgt hat –, der ist nämlich so streng, und er wird vielleicht böse, und – “
    „Das wäre natürlich ärgerlich, Evis wegen. Höre mal zu, Claudia, ich habe einen Vorschlag: ich leihe dir das Geld für einen neuen Apparat. Du bekommst doch Taschengeld, nicht wahr?“
    „Ja, gewiß. Fünf Mark die Woche.“
    „Da finde ich deine Mutter aber großzügig. Nun wollen wir mal rechnen. Wenn du jetzt vier Mark wöchentlich abbezahlst, dann behältst du eine Mark übrig, du sollst nicht ganz ohne Geld sein. Wenn ich den Apparat hier im Hause kaufe, dann bekommen wir ihn ein wenig billiger, du weißt, ich habe Prozente. Er würde ungefähr fünfundzwanzig fünfzig kosten. Also sechsmal vier Mark und einmal eins fünfzig. Was meinst du dazu?“
    Da lächelte Claudia, aber ihre Lippen zitterten.
    „Ich – ich kann das doch beinahe gar nicht annehmen, Onkel Peter – – “
    „Doch, das kannst du wohl. Und im übrigen, Claudia – zwar möchte ich unter keinen Umständen, daß du deiner Mutter etwas verschweigst, ich weiß, daß ihr euch alles erzählt – aber ich finde trotzdem, diese kleine Angelegenheit bleibt besser unter uns, bis du die Sache wieder glattgemacht hast. Das wäre also Ende Januar. Dann erzählen wir es, denn auf die Dauer darfst du keine Geheimnisse vor deiner Mutter haben.“
    „Aber, Onkel Peter, es kann gut sein, daß ich schon früher mit dem Abbezahlen fertig bin, ich bekomme nämlich immer zu Weihnachten Geld von Großmama – “
    „Um so besser. So, jetzt wartest du hier einen Augenblick, während ich einen Ausflug in die Photoabteilung mache.“
    Claudia blieb auf ihrem Stuhl am Schreibtisch sitzen. Jetzt war ihr wieder ganz warm, und sie fühlte sich viel besser. Und Onkel Peter war ein Prachtonkel. Man stelle sich bloß vor, er wußte ganz von selber, wie ungern Claudia ihre Mutter um Geld anging! Vielleicht dachte er sich, daß Mutti große Ausgaben hatte, namentlich jetzt im Dezember. Und er konnte sich vielleicht auch denken, daß die Miete in Nummer achtzehn hoch war, und daß Muttis Gehalt Monat für Monat in verschiedene Briefumschläge für die verschiedenen Ausgaben verteilt und beiseite gelegt wurde. In der Schreibtischschublade lagen säuberlich in einer Reihe diese Umschläge mit Aufschriften wie „Miete“ – „Strom“ – „Heizung“ – „Fensterputzer“ – „Haushalt“ – aber für einen Posten „zerbrochene Photoapparate“ gab es keinen Briefumschlag.
    Wie wunderbar, daß sie Mutti diese Sorge ersparen konnte!
    Onkel Peter erschien wieder in der Tür. „So, Claudia. Übrigens stimmt es nicht ganz mit dem Preis. Der Apparat kostet dreißig
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