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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia
Autoren: Berte Bratt
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und offen sie miteinander sprachen.
    „Ih du meine Güte, das könnte ich doch nie meiner Mutter erzählen!“ sagte Elsa.
    „Bist du verrückt, das hätte ich doch nicht meiner Mutter zu sagen gewagt“, meinte Evi.
    Aber Claudia erzählte ihrer Mutter alles und fragte nach allem, und Mutti antwortete immer offen.
    Es war die reinste Wahrheit, wenn Claudia sagte: „Mutti, du bist meine allerbeste Freundin!“
    In Claudia tauchten allerlei Erinnerungen auf, während sie dastand und auf wusch.
    „Mutti, was meinst du, wenn wir uns einen Plattenspieler anschaffen?“ hatte, sie eines Tages gefragt.
    „Dann müssen wir sparen“, sagte Mutti. „Ich habe noch eine alte Sparbüchse, die muß ich mal heraussuchen, und da stecken wir unser Spargeld hinein – ich tue das hinein, was ich erübrigen kann, und du das, was du übrig hast – von deinem Taschengeld und deinem Geburtstagsgeld – und dann müssen wir mal sehen. Vielleicht schaffen wir es! Schön wäre es ja, wenn wir einen hätten! Aber du weißt, dann müssen wir auf Kino und Näschereien und dergleichen verzichten!“
    „Wir“, sagte Mutti immer. Ja, sie machten alles gemeinsam, Claudia und ihre Mutter.
    Und sie hatten es geschafft, sich einen Plattenspieler zusammenzusparen. Es hatte solchen Spaß gemacht, zu sehen, wie die Summe in der Sparbüchse von Woche zu Woche anschwoll – so furchtbar viel Spaß hatte es gemacht, weil der eine genauso eifrig und gespannt war wie der andere.
    „Evis Mutter wird so leicht wütend“, erzählte Claudia. „Eva kann machen, was sie will, immer ist alles verkehrt, und immer wird sie von ihrer Mutter ausgezankt, und manchmal weint ihre Mutter, und manchmal ist sie ganz schlechter Laune – es muß gräßlich sein, so eine Mutter zu haben!“
    „Wie alt ist Evis Mutter?“ fragte Mutti.
    „Viel alter als du, Mutti, sie ist fast fünfzig“, sagte Claudia.
    Und dann erklärte Mutti ihr ruhig und sachlich, daß eine Frau in dem Alter gerade an der Grenze zur „älteren Dame“ sei, und daß ihr ganzer Körper und die ganze Seele eine große Wandlung durchmachen – dann werden fast alle Frauen nervös, und sie könnten einem leid tun, sagte Mutti. „Es geht vorüber, siehst du, aber so lange es dauert, sollte Evi nur lieb und geduldig mit ihrer Mutter sein.“
    „Weshalb hat ihre Mutter ihr das nicht erklärt?“ fragte Claudia.
    „Ja, da magst du wohl recht haben“, meinte Mutti, „aber du weißt es nun jedenfalls, dann kannst du wenigstens nett zu mir sein, wenn ich anfange, meine Schrullen zu bekommen!“
    „Die kriegst du sicher gar nicht, glaube ich“, sagte Claudia.
    „Wollen jedenfalls hoffen, daß ich sie verbergen kann“, lachte Mutti.
    „Du Mutti! Dies Märchen von dem Storch, der die Kinder bringt, das ist doch nur ein Märchen, nicht wahr?“ hatte Claudia gefragt. Sie war damals sechs gewesen.
    „Natürlich ist es ein Märchen!“ sagte Mutti ruhig.
    „Ja, aber wie ist es dann wirklich?“ fragte Claudia. Da hatte Mutti so wunderschön gelächelt, wie nur sie es konnte.
    „Die Wirklichkeit, Claudia“, sagte Mutti – „die ist schöner als das schönste Märchen.“
    „Erzähl mir dann die Wirklichkeit, Mutti“, sagte Claudia.
    Und Mutti erzählte, ruhig und klar und ohne Umschweife, von der großen, weisen Natur, die alles so wunderbar eingerichtet hat, ob es nun eine Blüte ist, die entsteht, ein junges Tier, das geboren wird, oder ein kleines Menschenkind, das zur Welt kommt.
    „Ach Muttichen“, hatte Claudia gesagt und ihre Arme um Mutters Hals geschlungen. „Jetzt verstehe ich, warum ich dich so furchtbar doli liebhabe! – und du mich“, fügte sie hinzu.
    Claudia war dann den Rest des ganzen Tages mit glänzenden, glücklichen Augen herumgegangen, und abends, als Mutti gute Nacht gesagt hatte, lagen Claudias Arme wieder um ihren Hals, und sie flüsterte:
    „Ach, Mutti, ich freue mich so, daß du mir all das Wunderhübsche heute erzählt hast – weißt du, es ist so, wie wenn es das hübscheste Märchen der Welt wäre – und Gott selber hat es gedichtet!“
    Ja, die Erinnerungen kamen, während Claudia dastand und ihrer Arbeit nachging. Sie hatte die beste und klügste Mutter der Welt.
    Und sie liebte es nicht – nein, sie liebte es nicht, wenn andere ankamen und Mutti in Beschlag nahmen! Sie wollte Mutti für sich allein haben!
    Die kleine Claudia war ein kluges Mädchen, das stimmte. Aber sie war nicht klug genug, um zu erkennen, daß ein neues, häßliches Gefühl sich
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