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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen
Autoren: Carter Brown
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Interesse
entgegen.
    »Wie steht es mit dem
Verlagsgewerbe?« fragte sie beiläufig. »Hat Hurlingford dich schon zum Chef
aller Chefredakteure ernannt?«
    »Noch besser«, erwiderte ich,
»zum Vorsitzenden der geschäftsführenden Direktoren — das sind die Burschen,
die das Geld verwalten.«
    »Also eine Art Schatzmeister?«
    »Ich muß alles ausbügeln, was
seine Leute verbockt haben«, erklärte ich bescheiden. »Dazu bedarf es eben
eines Genies.«
    »Wen willst du denn da
hinzuziehen?«
    »Sogar Hurlingford kann es sich
nicht leisten, noch jemanden außer mir zu beschäftigen«, erwiderte ich. »Etwas
Besseres als mich kann er auch nicht finden.«
    »Seit wann hast du eigentlich
einen Höhenthriller?« erkundigte sich Fran besorgt.
    »Seit ich heute
vormittag mit einem Kerl namens Barney Meekers gesprochen habe«,
erklärte ich. »Was mich übrigens daran erinnert: Wir suchen nach einer gewissen
Jenny Shaw, Garderobiere oder Kammerzofe.«
    »Wo soll ich denn zu suchen
anfangen? Unter deinem Schreibtisch?«
    »Du könntest dich zum Beispiel
an die Vermittlungen für Hauspersonal wenden«, schlug ich vor. »Erinnerst du
dich an Irene Mandell?«
    »Noch eine Kammerzofe?«
    »Kümmere dich lieber um die
Dame Shaw, Kindchen«, sagte ich verdrießlich. »In diesem Laden muß ich nicht
nur das Profil, sondern auch den Verstand alleine beisteuern.«
    Fran atmete langsam ein, bis
sich die Vorderfront ihrer Seidenbluse spannte. »Was die Oberweite betrifft,
halte ich hier immer noch den Rekord«, sagte sie fröhlich. »Vergiß das nicht.«
    »Keinen Augenblick«, erwiderte
ich. »Was machst du denn heute abend ?«
    »Ein bißchen das Terrain
sondieren«, sagte sie unbeteiligt. »Mit einem auswärtigen Ingenieur, der
irgendwo in Kansas nach Uran gräbt. Wenn er meine kostspieligen Ansprüche zu
schätzen weiß, kaufe ich mir vielleicht einen Geigerzähler und werde seine
Partnerin.«
    »In Kansas?« fragte ich
ungläubig.
    »Nur wegen des Urans.« Als ich
in mein Büro hinüberging und die Tür hinter mir schloß, lächelte sie noch immer
versonnen vor sich hin.
    Ich setzte mich, legte den
Aktendeckel, den mir Marie Soong gegeben hatte, auf die Schreibtischplatte und
öffnete ihn zum zweitenmal . Der Inhalt war mehr als
dürftig — eine Liste mit fünf Namen und vier Adressen und dazu ein Foto von
Irene Mandell. Der erste Name war Barney Meekers. Ich nahm meinen
Kugelschreiber heraus und strich Meekers durch. Dann starrte ich einige
Sekunden auf mein Werk, ohne recht zu wissen, was ich damit eigentlich erreicht
hatte.
    Barney war Irenes Agent
gewesen. Der zweite Name lautete Jerome Williams, Irenes Regisseur. Die beiden
anderen Namen, hinter denen Adressen angegeben waren, gehörten ihrer besten
Freundin, Jean Vertaine, und ihrem langjährigen Freund, Roger Lowell. Am Schluß
der Liste stand ohne jede Adresse Eva Mandell, ihre Schwester.
    Fünf Namen, vier Adressen und
ein Foto. Das sollte alles sein, was ein erstklassiger Journalist nach
sechswöchiger Arbeit aufgespürt hatte? Hurlingford mußte mir etwas
verschweigen. Aber wenn ich ihn anrief, um mich nach den Gründen zu erkundigen,
sagte er vermutlich, daß es nur zu meinem Besten sei. »Fangen Sie lieber ganz
von vorn an, Boyd. Auf Ihre eigene Art, ohne irreführende, vorgefaßte Meinungen.« Also konnte ich mir das Geld für das Telefongespräch sparen.
    Ich nahm das Foto von Irene
Mandell in die Hand und betrachtete es. Offenbar war die Aufnahme von einem
Theaterfotografen gemacht worden und hatte einen Schaukasten geziert. Alle
Fältchen waren sorgfältig retuschiert worden, so daß nur noch eine starre Maske
übriggeblieben war, lediglich die Augen hatte man nicht verändern können, sie
hatten ihren gehetzten Ausdruck behalten. Je länger ich in diese Augen starrte,
desto mehr beunruhigten sie mich. Für eine Frau, die eine Irre gespielt hatte,
wirkte dieser Blick erstaunlich echt.
    Ich schob das Foto in den
Aktendeckel zurück und studierte noch einmal die Namensliste. Als nächster war
Jerome Williams an der Reihe.
     
    Das Theater lag in einer
Seitenstraße des Broadway. Drei Schauspieler standen, die Rollenhefte in der
Hand, auf der Bühne. Der Regisseur leitete die Probe.
    Ich ließ mich in der ersten
Reihe neben einem jungen Mann mit einer riesigen Hornbrille nieder. Er war so
dünn, daß er bei starkem Wind vermutlich nicht das Haus verlassen durfte.
    »Ist das Jerome Williams?«
fragte ich ihn.
    »Ruhe!« zischte er und blitzte
mich hinter seinen
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