Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
Schönheitsoperation vornehmen.
Nichts Aufregendes, nehme ich an — die Form der Nase, die Backenknochen,
vielleicht eine kleine Änderung der Kinnlinie, nicht viel, aber so kunstvoll
gemacht, daß sie nach Beendigung der Behandlung nicht mehr Irene Mandell war
oder Irene Lowell. Sie war eine völlig neue Frau, die sich Lorraine Lowell nannte.«
    »Großartig, Mr. Boyd.« Lorraine
klatschte laut in die Hände. »Und Sie haben recht. Ich war Irene Mandell, und
bin nun Lorraine Lowell. Ist das von Bedeutung? Beide Frauen brachten ihrem
Mann die gleiche Liebe entgegen.«
    »Es gewinnt an Bedeutung, wenn
bewiesen wird, daß die Tote in Oyster Bay Eva Mandell ist«, sagte ich unbewegt.
    »Ich habe Ihnen doch schon
erklärt — das ist unmöglich«, rief Lowell erregt. »Ich habe sie gesehen. Eva
hat mir die Säure ins Gesicht geschüttet.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich,
»aber Sie befinden sich im Irrtum, in einem schrecklichen Irrtum. Sie haben
nicht mehr gesehen als eine Frau, die einen Regenmantel trug und aus dem
Schatten auf Sie zutrat.«
    »Ich sagte doch schon«,
wiederholte Lowell, so laut er konnte, »ich sah ihr schwarzes Haar, die beiden
Schönheitsflecken. Sie waren Evas besondere Kennzeichen.«
    »Natürlich«, sagte ich grob.
»Besondere Kennzeichen. Sie sollten diese Zeichen sehen, verstehen Sie nicht?
Was sind denn Schönheitsfleckchen schon? Zwei Tupfer mit einem Augenbrauenstift.
Und was ist schwarzes Haar? Eine Perücke?«
    Lowell ließ sich totenblaß in den Stuhl zurücksinken.
    »Er lügt!« sagte Lorraine
schrill. »Glaub ihm nicht, Roger, er will dich aus irgendwelchen Gründen
irremachen. Als er gestern merkte, daß ich allein war, wollte er mir Gewalt
antun, er...«
    »Sei still!« Er sprach nicht
laut, aber seine Worte trafen wie ein Vorschlaghammer. Sie blieb mit weit aufgerissenem
Mund schweigend stehen.
    »Dann wäre nur noch ein Punkt
zu klären«, sagte ich müde. »Jenny wurde ermordet, damit sie nicht mit mir
sprechen konnte. Sie hat nicht an Hurlingfords Party teilgenommen, sie war in
New York und konnte daher auch nicht wissen, was sich dort zugetragen hatte.«
    »Und?« fragte Lowell trocken.
    »Hätte Hurlingford Interesse
gehabt, sie am Reden zu hindern? Oder Kestler und Mannie Karsh? Was wußte sie,
das sie gefährlich genug machte, um sie zu ermorden? Sie wußte, daß aus Irene
Mandell Lorraine Lowell geworden war, aber vermutlich hegte sie bereits seit
geraumer Zeit einen Verdacht in bezug auf das
Säureattentat. Da hätte sie mir wichtige Hinweise geben können, zum Beispiel,
daß Irene sich in der Nacht, als es geschah, nicht auf dem Lande, sondern in
New York aufhielt. Vielleicht war Jenny auch auf die schwarze Perücke gestoßen
und hatte sich ihre Gedanken darüber gemacht. Wäre durch Jenny herausgekommen,
daß Lorraine beziehungsweise Irene Mandell sich als ihre eigene Schwester
zurechtgemacht hatte«, ich schleuderte ihm meine Worte entgegen, »hätten einige
Leute, einschließlich meiner Person, wissen wollen, wo denn nun Eva abgeblieben
sei. Ein Glied der Kette hing im anderen, Lowell. Jenny hätte bewiesen, daß es
Irene war, die Ihnen in der Aufmachung Evas die Säure ins Gesicht geschüttet
hat. Wo war Eva zuletzt gesehen worden? Auf Hurlingfords Party. Lorraine durfte dieses Gespräch zwischen Jenny und mir nicht zulassen.
Daher kam sie vor mir in meine Wohnung und tötete Jenny — mit fünf Schüssen auf
kürzeste Entfernung. Paßt das nicht zu der Frau, die ihre Schwester aus Rache
einem betrunkenen Sadisten auslieferte? Die ihrem Geliebten aus Rache das
Augenlicht nahm?«
    »Ich... ich kann nicht glauben,
daß sie Jenny ermordet hat«, sagte Lowell verstört.
    »Haben Sie eine Waffe in der
Wohnung?« fragte ich ihn.
    »Ja«, erwiderte er undeutlich.
    »Wo?«
    »Im obersten
Schreibtischschubfach. Ich hole sie Ihnen.«
    Er stand auf und ging mit der Behendigkeit langer Übung zum Schreibtisch. Seine schmalen
Finger tasteten nach dem Schubfach, dann zog er es heraus und suchte darin.
    »Sie ist nicht da«, sagte er gepreßt.
»Ob sie jemand weggenommen hat?«
    »Laß mich mal sehen«, sagte
Lorraine kurz und schob ihn sanft beiseite. Für einen Augenblick verdeckte ihr
Rücken mir den Blick auf den Schreibtisch, dann knallte sie das Schubfach zu
und drehte sich langsam um.
    »Du hast in dem falschen
Schubfach gesucht, Liebling«, sagte sie mit leicht tadelnder Stimme. »Sie war
unten im dritten Fach, genau dort, wo ich sie hinlegte, als ich an Jennys
Todestag
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher