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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen
Autoren: Carter Brown
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nach Hause kam.«
    »Ich glaube, ich benachrichtige
jetzt die Polizei«, sagte ich höflich.
    »Das würde ich nicht tun,
Danny«, sagte sie heiter. Die Waffe beschrieb einen kleinen Bogen, bis sie
genau auf meine Brust wies. »Machen Sie mich bitte nicht nervös.« Ihr Lächeln
wurde geradezu strahlend. »Ich bin eine triebhafte Mörderin, der leicht
erregbare Typ, aber Sie haben ja Jennys Leiche gesehen, nicht wahr?«
    »Arme Jenny«, sagte Lowell
leise. »Und arme Eva.«
    »Die haben bekommen, was sie
verdient haben!« sagte Lorraine scharf. »Das gehört zu den Dingen, auf die ich
stolz bin — ich sorge dafür, daß die Menschen bekommen, was sie verdienen,
genau wie du, Roger, mein Liebling.«
    Sie blickte mich wieder an, und
ich konnte die Grausamkeit in ihren Augen beinahe körperlich fühlen.
    »Aber Sie hatten viel Glück,
nicht wahr, Mr. Boyd? Sie haben mich so gründlich überführt, daß mir kein
Ausweg mehr bleibt. Und dazu Ihre noblen Prinzipien: Die Frau eines Blinden ist
tabu, ohne Rücksicht auf ihre Gefühle. Nun, wenigstens kann ich noch etwas tun,
bevor alles zu Ende ist. Dafür sorgen, daß auch Sie bekommen, was Sie
verdienen.«
    Lowell bewegte sich langsam auf
sie zu, indem er mit der rechten Hand am Schreibtischrand tastete.
    »Lorraine«, sagte er ungläubig.
»Ich hab’ das die ganze Zeit nicht gemerkt. Du bist ja wahnsinnig...«
    »Sag so was nie wieder«,
herrschte sie ihn an. »Nie wieder, verstehst du!«
    »Wahnsinnig«, wiederholte er
leise, als spräche er zu sich selbst. »Eva, Jenny Shaw und ich — womit haben
wir dich verdient?«
    »Hör auf«, schrie sie wild.
»Hör auf, oder ich bringe dich genauso zum Schweigen wie Jenny!«
    »In diesen ganzen zwei Jahren«,
fuhr Lowell bestürzt fort, »bin ich nicht auf das Nächstliegende gekommen — daß
du nicht bei Verstand bist.«
    »Wenn du kein Ende finden
kannst...«, kreischte Lorraine, während sie sich ihm zuwandte und die Waffe in
seine Brust bohrte.
    Für einen Mann wie Roger Lowell
mußten noch einmal bessere Tage kommen, und ich war der Meinung, daß er sie
auch erleben sollte. Ich zog Karshs Magnum aus der Hosentasche und zielte,
bevor ich abdrückte, sorgfältig auf Lorraines rechte Schulter.
    Lowell hatte näher bei seiner
Frau gestanden, als er wußte. Beim Druck des Pistolenlaufs auf seine Brust riß
er instinktiv die Arme nach vorn. Dabei traf er mit dem Handballen Lorraines
Schulter, so daß er sie von sich wegstieß — genau in dem Augenblick, da ich
abdrückte.
    Sie blieb geraume Zeit
regungslos stehen, ihre champagnergelbe Bluse färbte sich in rasender
Geschwindigkeit dunkelrot. Dann fiel sie langsam vornüber. Der Mann, den sie
blind gemacht hatte, tastete suchend in der Luft nach ihr herum.
    »Lorraine?« fragte Lowell mit
gebrochener Stimme. »Wo bist du, Lorraine?« Sein Kopf wandte sich hin und her,
während er mit dem Gehör irgendeinen Laut zu erhaschen suchte. »Lorraine, wo
bist du?« Die Tränen liefen langsam über sein Gesicht. »Um Himmels willen«,
flehte er. »Jemand soll mir doch sagen, was passiert ist.«
    Schließlich sagte ich es ihm.
     
    Bixby rieb sich ungeduldig mit
der Hand über die Pausbacken und starrte mich an.
    »Wenn Sie getan hätten, was Sie
sollten, und gleich in mein Büro gekommen wären«, knurrte er, »würde sie jetzt
vielleicht noch leben.«
    »Ich hatte doch keinen Beweis«,
erwiderte ich. »Die einzige Möglichkeit war, sie so fertigzumachen, daß sie
Farbe bekannte. Ich sagte Ihnen doch schon, daß ihr Tod ein reiner Unfall war.
Glauben Sie etwa, daß ich mit Absicht eine Frau erschießen würde?«
    »Da bin ich mir nicht so
sicher«, schnaufte Bixby. »Im Fall Karsh hatten Sie eine Augenzeugin, daß Sie
in Notwehr gehandelt haben, obwohl das bei Karshs Leumund nicht einmal nötig
gewesen wäre. Eigentlich müßten Sie eine Medaille bekommen, daß Sie ihn aus dem
Weg geräumt haben.«
    Er wischte sich noch einmal
nervös über das Gesicht. »Ich kann mir aber vorstellen, daß sich wirklich alles
so abgespielt hat, wie Sie sagen. Hätte man diese Frau für zurechnungsfähig
erklärt, wäre sie auf dem elektrischen Stuhl gelandet. Andernfalls hätte sie
den Rest ihres Lebens in einer Gummizelle zubringen müssen. Mich beschäftigt
auch gar nicht so sehr das Schicksal Irene Mandells —
oder Lorraine Lowells. Ich bin nur über Ihre Methoden sauer, Boyd.«
    »Meine Methoden, Leutnant?«
wiederholte ich ausdruckslos.
    »Was glauben Sie eigentlich,
wer Sie sind, daß Sie gegen
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