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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
Autoren: Laura Milde
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danke Maria für ihre Geschichte und verabschiede mich für die Nacht.
    In meinen Schlafsack gewickelt, denke ich noch einmal über dieses Gespräch nach. Ich bemerke, dass mir immer genau die Menschen auf dem Weg begegnen, die eine Botschaft für mich haben, der ich genau zu diesem Zeitpunkt bedarf. "Welch ein wunderbarer Pilgertag!", denke ich noch und schon versinke ich im Traumland.

Dunkle Schatten
    Ich sitze auf einer völlig verschmutzten Toilette, die statt einer Tür nur einen schmuddeligen Vorhang hat. Außerdem sind im gleichen Raum noch mehrere Waschbecken, an denen sich Frauen und Männer die Hände waschen. Es ist ein Kommen und Gehen. Ich fühle mich schrecklich und muss doch mein Geschäft verrichten. Die Wasserspülung funktioniert nicht und ich überlege verzweifelt, wie ich meine Hinterlassenschaft beseitigen könnte.
    Dann wache ich auf. Diesen Traum kenne ich. Ich träume diese Geschichte seit Jahren, allerdings das erste Mal hier auf dem Weg. Was will mir der Traum sagen? Ich glaube, sobald ich die Botschaft deuten könnte, würde dieser unangenehme Traum verschwinden. Ging es um mein Thema, dass ich nie jemanden stören durfte? Ich hatte meine Mutter immer gestört. Sie litt an Schlaflosigkeit und jeder in der Familie vermied tunlichst, sie zu wecken. Außerdem war sie durch den Schlafmangel äußerst nervös und ich hörte in schöner Regelmäßigkeit von ihr den gefürchteten Satz: "Kind, du störst!" Ich setzte, wie so viele Kinder es tun, alles daran, ihr zu gefallen. Nur wenn ich "brav" war, hatte Mami mich lieb. Und brav sein schloss auf alle Fälle "sauber sein" mit ein. Jahrelang bearbeitete ich das Thema in meiner Therapie. "Ich solle mich zumuten", war eine der Aufgaben, die ich gestellt bekam, und die ich doch noch nicht richtig zu lösen im Stande war. Eine Überlegung kommt mir in den Sinn, die ich von einem meiner Therapeuten gehört hatte: "Allein durch unser Dasein verbrauchen wir Ressourcen, verursachen Zerstörung." Das ist so schwierig für mich, zu akzeptieren. Ich hatte ja schon manchmal, wenn es mir gerade nicht so gut ging, Probleme, über eine Wiese zu laufen und mir vorzustellen, wie viel Kleingetier ich dabei zertreten würde. Ich musste schnellstens aus dieser destruktiven Gedankenschleife heraus, wollte ich nicht augenblicklich einen depressiven Schub erleiden. Die Vorstellung, dass wir, und damit auch ich, genauso richtig sind, wie wir sind, genauso gemeint sind von der Schöpfung, ist ein tröstlicher Gedanke, an dem ich mich nun wieder festhalte.
    Heute bin ich froh, als der Morgen dämmert, und stehe ausnahmsweise mit den frühaufbrechenden Pilgern auf. Die kühle Morgenluft tut mir gut und ich gehe schnell, um meinen quälenden Gedanken davon zu laufen. Die Landschaft ist tröstlich mit mäandernden Bächen, die ich über wackelige Holzstege, alte Steinbrücken oder Trittsteine im Wasser, quere. Manche Wegstellen sind tückisch und ich muss aufpassen, nicht auf den glitschigen Steinplatten auszurutschen. Der Weg hat mich wieder. Ich atme frei durch und habe die Schatten der Nacht hinter mir gelassen.
    Schon um 13 Uhr komme ich in Melide, einer größeren Stadt, an. Ich bin den Weg heute zwar bewusst, aber dennoch sehr schnell gelaufen. Ich deponiere meinen Rucksack in der Herberge auf einem der 130 Betten der Gemeindeherberge. Jeweils vier Betten stehen in einer abgetrennten Nische, gegenüber von aufgelassenen Pferdeboxen. Nachdem ich mich und meine Wäsche gewaschen habe, schlendere ich durch den Ort und besuche die beiden Kirchen, wobei ich aus einer schnell wieder fliehe, weil sie so düster ist und ich befürchte, wieder in eine trostlose Stimmung zu verfallen. Mein leerer Magen meldet sich knurrend und ich setze mich auf einen der bunten Plastikstühle vor einer Bar und bestelle mir mein Pilgermenü. Essen ist immer eine gute Idee zur Stimmungsaufhellung bei mir. Inzwischen sind auch weitere Pilger angekommen und ich freue mich, dass ich meine Mahlzeit nicht alleine einnehmen muss. Eine Hochzeitsgesellschaft zieht vorüber und ich lasse mich von der ausgelassenen Stimmung mitreißen. Ich liebe es, Hochzeiten zu sehen. Allerdings ist diese Braut so unscheinbar, dass ich in meinem Büchlein vermerke: "Spanische Hochzeit gesehen. Die Braut stört kaum."
    Dann telefoniere ich mit einem meiner Geschäftspartner, um zu hören, wie der Monat gelaufen ist. Das war keine gute Idee, denn kurzzeitig packt mich meine alte Existenzangst, als ich mir von den
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